Indien: Hoffnungszeichen und Repression in Kaschmir

Nr. 47 –

Unmittelbar vor dem Start der Parlamentswahl im Bundesstaat Jammu und Kaschmir am 25. November senden indische Behörden widersprüchliche Signale aus, wie sie mit dem jahrzehntealten Kaschmirkonflikt umgehen wollen. Vor wenigen Tagen verurteilte ein indisches Militärgericht zwei Offiziere und drei Soldaten zu einer lebenslangen Haftstrafe, weil sie drei Zivilisten in einem vorgetäuschten Gefecht ermordet hatten. Die drei jungen indischen Staatsbürger waren 2010 von Antiterroragenten in die Nähe der Grenze zu Pakistan gelockt worden unter dem Vorwand, sie würden dort Arbeit als Träger erhalten. Nach der Ermordung liess die Armee verlauten, dass es sich um «pakistanische Militante» gehandelt habe.

Solche «fake encounters» sind im Kaschmirtal nichts Aussergewöhnliches, weil Militärs durch die Tötung oder Verhaftung vermeintlicher TerroristInnen Beförderungen und andere Belohnungen erhalten. Dieser Fall konnte aber in Delhi vor allem deshalb nicht ignoriert werden, weil es nach der Tat zu massiven Protesten gekommen war (deren Niederschlagung wiederum 123 Tote zur Folge hatte).

Der Ministerpräsident von Jammu und Kaschmir, Omar Abdullah, nannte das Urteil «einen Wendepunkt», nachdem die Bevölkerung längst den Glauben an Gerechtigkeit und die Institutionen verloren habe. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International interpretierte das Urteil als Zeichen, die indischen Behörden könnten in Zukunft vermehrt Verbrechen von Sicherheitskräften ahnden.

Doch ist fraglich, ob es sich wirklich um einen Wendepunkt handelt. Denn gleichzeitig verhalten sich die Sicherheitskräfte gewohnt repressiv: Laut der Zeitung «Indian Express» hat die Polizei in den letzen drei Wochen über 900 Menschen in Präventivhaft gesetzt. Der Polizeichef nannte dies eine notwendige Massnahme, um eine «Störung» der Parlamentswahl zu verhindern. Die Verhafteten, die grösstenteils aufgrund von Fotos vergangener Demonstrationen identifiziert worden waren, sollen bis zum Abschluss der Wahl am 20. Dezember weggeschlossen bleiben.