Kriegerische Gegenwart: Wer kämpft für den Frieden?

Nr. 7 –

Es war vor ziemlich genau zwölf Jahren. Am 15. Februar 2003 gingen rund um den Globus Millionen von Menschen auf die Strasse, um gegen die drohende Invasion der USA und ihrer Alliierten in den Irak zu protestieren. In Spanien und Italien demonstrierten je rund drei Millionen Menschen, in London eineinhalb Millionen, in Bern 40 000. Die «New York Times» verglich die Protestwelle mit den Volksrevolutionen von 1989 in Osteuropa und den europäischen Aufständen von 1848. «Politiker und Führer werden das kaum ignorieren können», schrieb die Zeitung – und irrte sich gewaltig.

Schon am 20. März 2003 begann die von den USA angeführte Koalition mit der Bombardierung des Irak. Bagdad wurde am 2. Mai eingenommen. Die Friedensbewegung konnte nur noch zuschauen. Angedrohte Generalstreiks blieben aus. Denn schliesslich gelang es den USA sehr rasch, den einst verbündeten Diktator Saddam Hussein zu vertreiben, später gefangen zu nehmen und hinrichten zu lassen.

Wie recht die Friedensbewegten damals doch hatten: Der Krieg hat den Irak nur tiefer ins Chaos gestürzt. Heute, zwölf Jahre nach der Invasion, herrscht immer noch Krieg. Gerade in diesen Tagen bereitet sich die irakische Armee, mit grosser logistischer Unterstützung der USA, auf die Erstürmung der Millionenstadt Mosul vor, die von der islamistischen Miliz Islamischer Staat (IS) seit dem Sommer 2014 besetzt wird. Der US-Oberbefehlshaber für den Nahen Osten, General Lloyd Austin, hat persönlich die bevorstehende Offensive angekündigt. Und US-Präsident Barack Obama bereitet einen Entscheid des Kongresses vor, der ihm formal die Autorisierung gibt, im Ausland militärische Gewalt einzusetzen. Es ist das erste Mal, dass Obama dies verlangt. Letztmals hatte 2002 George W. Bush den Kongress darum gebeten. Wieder gehts um den Irak, aber nicht nur. Nun sollen der IS und «mit ihm verbundene Kräfte» ohne geografische Begrenzung vernichtet werden.

Dabei ist offensichtlich: Der IS ist ein Produkt der Invasion von 2003, getragen von früheren Offizieren der irakischen Armee. Verbündete des Westens, allen voran Saudi-Arabien, haben den IS ausgerüstet, um ein Gegengewicht zu den schiitischen Gruppierungen im Land zu schaffen. Der Irak wurde durch die Invasion nicht einfach von einem Diktator erlöst, sondern auch weiter militarisiert.

Zusätzlich zu den Kriegen im Nahen Osten droht nun auch der Konflikt in der Ukraine zu eskalieren. Dabei ist der Staat in einem fragilen Zustand, nahe am wirtschaftlichen Zusammenbruch, von Milliardenkrediten abhängig. Auch nach den Wahlen verfügen wenige Oligarchen über sehr viel Macht. Auf beiden Seiten der Front mischen schwer kontrollierbare, teils rechtsradikale Milizen mit. Zudem findet um die Ukraine auch eine geopolitische Auseinandersetzung zwischen der EU, den USA sowie der Nato einerseits und Russland andererseits statt. Wie angespannt die Situation ist, zeigte sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz vom vergangenen Wochenende. Noch kann mit Diplomatie das Schlimmste verhindert werden, selbst wenn das Gipfeltreffen von Minsk (das nach Redaktionsschluss zu Ende ging) scheitert.

Es ist paradox: Wir leben in äusserst kriegerischen Zeiten. Noch nie waren seit dem Zweiten Weltkrieg so viele Menschen auf der Flucht vor Kriegen. Dennoch ist von der grossen Friedensbewegung, wie es sie zwölf Jahre zuvor gab, nur wenig zu vernehmen. Immerhin haben am vergangenen Samstag aus Anlass der Münchner Sicherheitskonferenz – die in Tat und Wahrheit eher eine Militarisierungs- und Aufrüstungskonferenz ist – 4000 Menschen gegen die Kriegstreiberei demonstriert.

Vielleicht sind die bewaffneten Konflikte von heute zu komplex, als dass man dagegen demonstrieren könnte. Möglicherweise fehlt es auch an einem Feindbild wie 2003, als US-Präsident George W. Bush ziemlich offensichtlich einen Kriegsgrund herbeilog. Dennoch: Gerade die Geschichte der letzten zwölf Jahre zeigt, wie verhängnisvoll militärische Lösungen sind. Es braucht den Druck der Strasse. Nur schon, damit die Diplomatie Zeit erhält, für Frieden zu sorgen.