Musik-Album «To Pimp a Butterfly»: Schmetterlinge fliegen höher

Nr. 14 –

Kendrick Lamar ist der grosse Wurf gelungen: Auf «To Pimp a Butterfly» erzählt er voller Dringlichkeit von seinen Erfahrungen, Ängsten und Zweifeln als Afroamerikaner, der als Rapper gross geworden ist und sich nun der Verantwortung als gefeierter Hip-Hop-Star stellt. Gleichzeitig ist es eine äusserst kluge musikalische Analyse zum systematischen Rassismus innerhalb und ausserhalb der Musikindustrie.

Gleich die erste halbe Minute ist ein Statement: «Every Nigger Is a Star», der aus dem Off gesampelte Loop des jamaikanischen Blaxploitation-Filmmusikers Boris Gardiner, klingt noch nach, als die Stimme der P-Funk-Legende George Clinton schon einsetzt. Erst dann erscheint Lamar: Er rappt über afroamerikanische Künstler – die Schmetterlinge des Albumtitels –, deren Idealismus zerbricht, während sie vom weissen Entertainmentsystem gepimpt werden. Der Track wird von einem Telefonanruf von Dr. Dre unterbrochen, der den Gangster-Rap begründet hat und nun für Lamars drittes Werk als Produzent wirkt: Dre rät ihm, stark zu bleiben, an seinem Traum festzuhalten. Bei allen sprachlich vielfältig formulierten Zweifeln und Versuchungen, die ihn auf den nächsten fünfzehn Stücken aus der Bahn zu werfen drohen, ist sich Lamar eines sicher. Er weiss, woher er kommt: vom G- und P-Funk der Westküste und vom alten Jazz.

Auf den stark ineinander verflochtenen Erzählungen begegnet man Protagonisten der afroamerikanischen Kulturgeschichte: Hip-Hop-Produzentenlegende Pete Rock scratcht, Flying Lotus tritt als Gast auf, Snoop Dogg bekommt ein Feature, Michael Jackson wird zitiert, und zum Schluss erscheint der 1996 erschossene 2Pac geisterhaft zum Interview. Unerhört visionär verbindet Lamar Jazz, Funk, Gospel, Soul und Hip-Hop. Es ist eine Musik, in der Politik und Sexiness, Aufklärung und Entertainment wieder zusammenkommen wie einst bei den ganz Grossen, von Sly Stone bis Marvin Gaye.

Kendrick Lamar: To Pimp a Butterfly. Interscope