Flavio Steimann: Ein Narr auf der Suche

Nr. 19 –

«Bajass» ist eine poetisch aufgeladene Studie über Elend und Armut.

Vor gut einem Vierteljahrhundert hat er mit den Erzählungen «Passgang» und «Aperwind» viel Resonanz gefunden und der Schweizer Literatur einen eigenen, elegisch dichten Tonfall beigesteuert. Doch erst jetzt hat der mittlerweile 69-jährige Luzerner Flavio Steimann sein drittes Buch veröffentlicht: «Bajass» kommt als Kriminalgeschichte daher, ist aber eher eine poetisch aufgeladene Studie über Elend und Armut in der ruralen Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Nach Ostern wird der knorrige Kommissar Albin Gauch zu einem abgelegenen Hof im Luzerner Hinterland gerufen, wo ein unbeliebtes Bauernpaar in seinem Blut liegt, erschlagen mit einem Spalthammer. Doch Spuren findet der Ermittler, dem nur mehr «halb geheuer» ist, «dass er Leute fing für einen Staat, der ihn selber gefangen hielt», kaum. Wir erfahren, dass die beiden Opfer Kinder als Knechte wie Sklaven hielten.

Mit einem Jackenknopf, einem Fussabdruck, einem Zeitungsausschnitt, der für ein Auswandererschiff in die USA wirbt, und einem Foto, das einen «Bajass» genannten jungen Knecht zeigt, zieht Gauch von dannen. Ohne Wissen seiner Vorgesetzten schifft er sich mit anderen AuswanderInnen ein, wo ihn der Gegensatz zwischen saturierten Luxusreisenden und den Ärmsten auf dem Unterdeck umtreibt. Tatsächlich überführt der unkonventionelle Staatsdiener – der mit dem Verdächtigten die Namensbedeutung teilt: «Gauch» und «Bajass» bezeichnen einen Narren – den Täter auf dem Menschenfrachter.

Mehr sei nicht verraten. Denn eigentlicher Held der düsteren Geschichte Steimanns ist ohnehin die betörend reiche, konzentrierte Sprache, in der eine einfache Landschaftsschilderung wie ein Gedicht leuchtet.

Steimann liest in Solothurn am Freitag, 15. Mai 2015, 
um 12 Uhr und um 16 Uhr.

Flavio Steimann: Bajass. Edition Nautilus. 
Hamburg 2014. 128 Seiten. 28 Franken