Wahlen in Burundi: Testfall für die ewige Macht
Entgegen der Verfassung will sich der burundische Präsident für eine dritte Amtszeit wählen lassen. Er weiss einen gut trainierten Repressionsapparat auf seiner Seite – nicht zuletzt dank der EU.
Am Montag haben in Burundi die Parlamentswahlen stattgefunden; das Resultat wird Ende Woche erwartet. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird die Regierungspartei die Mehrheit in der Assemblée erringen, denn die meisten anderen Parteien boykottierten die Wahlen. Zu gross war in den letzten Monaten die staatliche Repression, zu eingeschüchtert sind die rund 3,8 Millionen Wahlberechtigten. Im Mai haben die Sicherheitskräfte alle privaten Radiostationen zerstört, sodass insbesondere die ländliche Bevölkerung von unabhängigen Informationen abgeschnitten ist. Und die verbleibenden Medien sind das Sprachrohr der Regierung. Menschenrechtsorganisationen haben aus Sicherheitsgründen das Land verlassen, die EU und die Afrikanische Union (AU) haben ihre Wahlbeobachtungsmission suspendiert, weil keine Wahlfreiheit besteht und die Regierung gewaltsam gegen KritikerInnen vorgeht. Die Uno musste bereits Ende 2014 fast das gesamte Personal abziehen, weil die Regierung die Leute nicht mehr im Land haben wollte. Geblieben ist die Uno-Wahlbeobachtungsmission, die durch ihre Präsenz allerdings das illegitime Wahlprozedere mehr legitimiert als verbessert.
Bei den Präsidentschaftswahlen vom 15. Juli wird wohl der seit 2005 amtierende Pierre Nkurunziza siegen, obschon eine dritte Amtszeit illegal ist: Laut Verfassung und dem Abkommen von Arusha, das vor zwölf Jahren den Bürgerkrieg beendete, dürfte ein Präsident nur während zweier Amtszeiten regieren (siehe WOZ Nr. 20/15 ). Die Verschiebung des Wahlprozederes um zwei Wochen – die Regierung hatte dem internationalen Druck ein bisschen nachgegeben – brachte nichts. Denn die politische Situation hat sich in diesen zwei Wochen nicht verändert.
Nachdem der seit 2005 regierende Nkurunziza am 25. April 2015 seine erneute Kandidatur bekannt gegeben hatte, kam es zu Protesten, die von der Polizei gewaltsam niedergeschlagen wurden. Die Demonstrationen gingen aber weiter und gipfelten am 13. Mai in einem Putschversuch des ehemaligen Geheimdienstchefs Godefroid Niyombare. Dieser wurde zwei Tage später festgenommen, es folgten grosse Demonstrationen von RegimegegnerInnen. Seither haben die Sicherheitskräfte über 70 Personen erschossen, über 1000 inhaftiert. Die Proteste sind zwar kleiner geworden, doch die Repression ist stärker denn je: Rund 127 000 Menschen sind laut dem UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Uno, bereits ausser Landes geflohen, unter ihnen fast die gesamte Opposition sowie Mitglieder der intellektuellen, wirtschaftlichen und politischen Elite.
Bescheidener Druck aus Afrika
Die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) hat ihren möglichen Einfluss nicht ausgenutzt: Sie hätte ein Embargo gegen Burundi aussprechen können, wie sie es während des Bürgerkriegs getan hatte. Die AU forderte lediglich die Demobilisierung der bewaffneten Jugendmiliz der Regierungspartei, der Imbonerakure, und die Einsetzung unabhängiger MenschenrechtsbeobachterInnen. Europa reagierte etwas rigoroser als die afrikanischen Organisationen und Staaten: Als die Imbonerakure und die Polizei immer brutaler gegen Zivilpersonen vorgingen, stellten die EU und involvierte europäische Länder ihre Sicherheitskooperation mit der Regierung und die Budgethilfe ein. Damit fällt die Hälfte der Staatsfinanzierung weg. Einzig Projekte aus der Zivilgesellschaft, die der Bevölkerung direkt zugutekommen, laufen noch.
Allerdings sind die EU und einzelne europäische Länder für die Stärke und die Struktur des burundischen Sicherheitsapparats mitverantwortlich. Nach dem Bürgerkrieg hat das Land mit internationaler Unterstützung Polizei und Armee wieder aufgebaut und die verschiedenen Rebellengruppen in die Streitkräfte integriert. Entsprechend stark sind diese heute politisiert. «Die Sicherheitskooperation mit Europa hatte zwar auch zum Ziel, die Sicherheitskräfte für Konflikte zu schulen, ihnen beizubringen, Tränengas statt Kalaschnikows zu verwenden. Aber nun tun sie einfach beides zugleich», sagt Claudia Simons von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutschland hat die Polizeikooperation zwar nach den ersten Erschiessungen suspendiert. Aber da sei es schon sehr spät gewesen, sagte Simons. «Anzeichen, dass das Regime immer repressiver wurde, gab es schon lange vorher.»
Ein weiterer Putsch?
Mitte Juni haben sich nun auch der Vizepräsident und der Parlamentspräsident nach Belgien abgesetzt. Beide begründen ihre Flucht damit, dass sie das verfassungswidrige Streben des Präsidenten nach einem weiteren Mandat nicht unterstützen könnten. Sie lassen sich nun als Helden der Proteste feiern, obschon sie bisher das präsidiale Spiel mitgetragen haben. Claudia Simons hält die «Flucht» der beiden für ein Zeichen: «Sie scheinen zu denken, das Regime sei am Ende. Nun wollen sie noch schnell die Seiten wechseln.»
Flüchtlinge, die insbesondere in den Nachbarländern Tansania und Ruanda Zuflucht gesucht haben, berichteten über grausame Verbrechen der Sicherheitskräfte. Bereits ist von ethnischen Säuberungen, von möglichem Völkermord die Rede. Doch das sei unnötig dramatisierend, sagt Claudia Simons: «Eher als zu einem Genozid kommt es zu einem weiteren Putschversuch und zur Spaltung des Militärs.» Denn viele hohe Offiziere sind Gegner des Regimes. Die Regierung hat zwar bereits versucht, die Rebellion zu ethnisieren. «Aber der Coup war ganz klar multiethnisch. Und die Demonstrationen waren es auch», sagt Simons.
Zu den RegimegegnerInnen zählen Mitglieder der Oppositionspartei, Arme mit miserablen Zukunftsaussichten, jugendliche Arbeitslose oder auch die städtische Elite. «Die meisten Imbonerakure sind nicht politisch motiviert», sagt Orlane Varesano, Rechtsberaterin für Burundi bei «Trial», einer nichtstaatlichen Organisation für Völkerrecht mit Sitz in Genf. «Fast alle sind jung, ungebildet, sehr arm und männlich. Sie können aufgrund ihrer ökonomischen und sozialen Situation einfach rekrutiert werden.» Das Problem sei, dass sie gut organisiert, bewaffnet und im ganzen Land präsent seien. «Sie kontrollieren die Bevölkerung mit Gewalt.»
Die Wahl Nkurunzizas hat aber noch eine andere Dimension. In den Nachbarländern stehen in nächster Zeit Präsidentschaftswahlen an, und etliche Bisherige stehen in den Startlöchern, streben ebenfalls die ewige Macht an. In Ruanda etwa sammeln AnhängerInnen von Paul Kagame bereits Unterschriften für eine Verfassungsänderung, damit er 2017 wieder antreten kann. Der ruandische Präsident hat sich noch nicht entschieden, ob er sich diesem «Volkswillen beugen» wird. Wenn die internationale Gemeinschaft nicht schärfer auf die Situation in Burundi reagiert, warum sollte Kagame nicht Nkurunzizas Beispiel folgen?
Die Macht im Hinterzimmer
Dass Pierre Nkurunziza das burundische Präsidentenamt erneut anstrebt, gründet nicht nur in seinem eigenen Geltungsdrang: Die wirkliche Macht haben einige Männer im Hinterzimmer, etwa Adolphe Nshimirimana, der ehemalige Geheimdienstchef und Vorgänger des gescheiterten Putschisten Godefroid Niyombare.
Nshimirimana soll den Staatscoup und die Organisation der Proteste niedergeschlagen haben und einen grossen Einfluss auf die Jugendmiliz der Imbonerakure haben. Er ist einer der reichsten Geschäftsleute in der Region. Sollte der Präsident die Macht abgeben, verliert auch Nshimirimana viel. Da riskiert er lieber einen Bürgerkrieg, um an der Macht zu bleiben.