Film «White God»: Hundstage in Ungarn

Nr. 32 –

Was tut ein Regisseur, wenn er sieht, wie sein Land vor die Hunde geht? Er dreht einen Hundefilm.

Der Regisseur heisst in diesem Fall Kornel Mundruczo, das Land ist Ungarn, und sein Film «White God» ist ein ungezähmter Köter, der sich gegen alle Kategorien sträubt: ein Bastard zwischen Adoleszenz- und Rachedrama, tierischem Abenteuerkino und politischer 
Dystopie.

Zu Beginn steht hier die Ausgrenzung eines sprachlosen Freunds, der sich nicht wehren kann. Er heisst Hagen und ist der Hund des Mädchens Lili (Zsofia Psotta). Der Vater, zu dem Lili abgeschoben wird, duldet das gemischtrassige Tier nicht in der Wohnung und setzt es auf der Strasse aus. Während das verzweifelte Mädchen die Stadt nach dem vermissten Freund absucht, macht dieser in der urbanen Wildnis eine eigentliche Passionsgeschichte durch.

Hagen landet bei einem rabiaten neuen Meister, der ihn für illegale Hundekämpfe abrichtet. Der zutrauliche Haushund mutiert so vom gejagten Streuner zum blutrünstigen Kampfhund – und schwingt sich zuletzt zum tierischen Revolutionsführer empor, der sich der Reihe nach an seinen menschlichen Peinigern rächt. In seinem Gefolge: rund 280 Strassenköter, denen er im Hundeheim zur Flucht verholfen hat.

Hunderte von Hunden, die durch die gespenstisch entvölkerten Strassen von Budapest rasen: Das sind Bilder, wie man sie noch nie gesehen hat. Selbst den Regisseur packt bei dieser Vision das Grauen: In einer Nebenrolle spielt Mundruczo den zwielichtigen Besitzer einer Imbissbude, der im Finale von den Tieren massakriert wird.

Der Bezug zum autokratischen ungarischen Regime unter Viktor Orban ist augenfällig. Der Mensch gebärdet sich im Film als Herrenrasse und züchtet damit eine Armee der Entrechteten heran, bis diese zurückschlägt. Als politische Fabel handelt sich «White Dog» aber einige Unschärfen ein. Wenn der geschlagene Hund als Chiffre für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft steht, muss er am Ende doch wieder vom Menschen, seinem Meister, gebändigt werden. Der Aufstand des hündischen Proletariats wird bei Kornel Mundruczo quasi bildungsbürgerlich niedergeschlagen: Nur die Kunst kann die Tiere besänftigen.

Ab 6. August 2015 im Kino.

White God. Regie: Kornél Mundruczó. Ungarn 2014