Film «Heimatland»: «Gegen die Isolation»

Nr. 33 –

Michael Krummenacher, künstlerischer Koleiter beim Film «Heimatland», über den politischen Ansporn zum Kollektivfilm.

Michael Krummenacher.

WOZ: Herr Krummenacher, in «Heimatland» verbreitet sich ein Klima der Angst – also genau das, woraus die SVP ihr politisches Kapital schlägt. Hatten Sie keine Bedenken, dass Sie sich so auf das Spiel der Rechten einlassen?
Michael Krummenacher: Nein, im Gegenteil. Man kann sich einer gewissen Form von Propaganda auch bedienen, um sie zu brechen oder anders auszulegen. Nichts ist politisch gefährlicher, als wenn man einzelne Felder komplett einer Seite überlässt. Ich habe oft das Gefühl, dass genau das momentan in der Schweiz passiert.

War der erste Ansporn, diesen Film zu machen, politischer Natur?
Ganz zu Beginn war der Impuls einfach, einen Film über die Schweiz zu drehen. Ich habe mich früh mit meinem Kollegen Jan Gassmann ausgetauscht, den ich von der Filmschule in München kenne. Dann kamen das Minarettverbot und die «Masseneinwanderungsinitiative». Meine deutschen Mitstudenten wollten wissen, was denn da in unserem Land los sei und wie wir als Filmemacher uns dazu verhielten. Wir haben gemerkt, dass wir darauf keine Antwort haben. Das heisst: Eigentlich müssen wir uns dazu verhalten, aber viele aus unserer Generation scheuen sich davor. So gesehen, gab es durchaus einen konkreten politischen Auslöser für «Heimatland».

Wie sind Sie dann auf die Metapher der rätselhaften Wolke gekommen, die in «Heimatland» das gesamte Land überschattet?
Wir haben uns oft darüber unterhalten, was die Schweiz für uns ausmacht. Dabei sind wir auf das Sicherheitsdenken gekommen. Das wollten wir erschüttern. Wir wollten fragen, was passiert, wenn diese Sicherheit einmal zusammenbricht. So sind wir auf den metaphorischen Überbau mit der Wolke gekommen.

Und warum wollten Sie den Film nicht alleine oder zusammen mit Jan Gassmann realisieren, sondern gleich als Kollektiv?
Ich hatte einst selber einmal einen Film aus mehreren Episoden zu schreiben versucht, der «Heimatland» heissen sollte, noch ohne politischen Boden. Das hat hinten und vorne nicht funktioniert, was auch an meinem damaligen Können lag. So entstand der Wunsch, das Ganze breiter abzustützen, anstatt mir alles selber auszudenken. Mit unserer Idee eines Kollektivfilms haben wir dann offene Türen eingerannt. In Zusammenarbeit und auch in Reibung mit anderen etwas Grösseres zu schaffen, das fanden alle sehr reizvoll.

Aber einen gemeinsamen politischen Nenner hinter «Heimatland» gibt es nicht?
Doch. Unsere gemeinsame politische Haltung besteht darin, dass wir alle ein grosses Problem sehen in dem Isolationismus, den die Schweiz auf verschiedenen Ebenen betreibt. Wir wollten das aber nicht im Sinn eines politischen Manifests behandeln, sondern einfach genauer hinschauen. Wir wollten hinter die Gesichter der Leute schauen.

Nun ist Kino ja kein Wahlkampfinstrument. Trotzdem: Ist es nicht verschenkt, einen Film wie «Heimatland» erst nach den Wahlen im Herbst in die Kinos zu bringen?
Wir alle hätten sicher nichts dagegen, aber die Entscheidung lag nicht bei uns. Und ich befürchte, dass uns die Themen dieses Wahlkampfs auch nach den Wahlen begleiten werden.

Michael Krummenacher (30) ist zusammen 
mit Jan Gassmann für die künstlerische 
Leitung bei «Heimatland» verantwortlich. 
Er ist in Schwyz geboren und aufgewachsen. «Sibylle», sein Abschlussfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen in München, 
lief dieses Jahr an der Berlinale.