Fussball und andere Randsportarten: Unterwassereselsohren

Nr. 33 –

Etrit Hasler hat zur Rettung des Tauchens eine neue Sportart erfunden

Ich kann mich ja grundsätzlich eher weniger darüber aufregen, wenn sich der technologische Fortschritt in ein neues Feld einschleicht – vor kurzem habe ich an dieser Stelle die Vorteile aufgezeigt, wenn AthletInnen die sozialen Medien für sich entdecken. Auch habe ich mich noch nie über den grassierenden Selfiewahn nerven mögen, genauso wenig darüber, dass die alte Regel, wonach in jeder Diskussion früher oder später ein Hitler-Vergleich eingeworfen wird, obsolet geworden ist, seit mindestens drei Gesprächsschritte zuvor das Handy gezückt wird, um etwas auf Wikipedia nachzuschlagen. Zumindest bis jetzt.

Ich betreibe ja als einzige Sportart die entspannteste von allen: Tauchen. Während andere auf irgendwelchen Geräten herumturnen, strampeln und schwitzen, verbringe ich meine Freizeit lieber damit, alle dreissig Sekunden einen Flossenschlag zu tun, ungestört von anderen Menschen – und ohne ihnen dabei auf die Nerven zu gehen.

Nun habe ich jedoch vermehrt feststellen müssen, dass vielen TaucherInnen das simple meditative Dasein unter Wasser nicht mehr ausreicht – wie auf jeder Ferienreise müssen selbst hier zuhauf Erinnerungsbilder gemacht werden. Tauchgruppen erinnern plötzlich an Kamerateams. Als ob die unhandliche Tauchausrüstung nicht schon genügend schwer wäre, schleppen Heerscharen von BadetouristInnen zusätzliche Kilos an Kameras, Scheinwerfern und sogar Selfiesticks ins Meer.

Einmal im Meer angekommen, verwandeln sich diese vermeintlich harmlosen BadetouristInnen in geifernde Jagdhunde, die mit der Subtilität einer einfallenden Horde mongolischer Kavallerie zwischen den Sehenswürdigkeiten hin- und herbrausen, um sich vor jedem Tier oder jeder auffälligen Koralle mit Ellbogen den Weg zum bestmöglichen Bildausschnitt frei zu machen. Wobei sie sich natürlich an allem Möglichen festhalten und/oder abstützen müssen, was beides für TaucherInnen eigentlich tabu ist. Und als ob das alles nicht schon nervig genug wäre, hat seit kurzem nun auch noch der Selfiewahn unter Wasser Einzug gehalten – die Kamera wird eventuell Mittauchenden in die Hand gedrückt oder via Verlängerungsstecken ferngesteuert, damit man sich selber vor dem Objekt der fotografischen Begierde ablichten lassen kann, als ob es sich dabei um das Kolosseum oder die Pyramiden handle.

Zu Hause werden dann die schnell schrumpfenden Freundeskreise genötigt, einer Diashow oder einer mit einschläfernder New-Age-Musik (Oliver Shanti, Pink Floyd oder Ähnlichem) unterlegten Powerpoint-Präsentation mit pseudokreativen Überblendungen beizuwohnen. Wobei die Bilder mit deskriptiven Kommentaren wie «ich und ein Oktopus», «meine Frau vor einem Oktopus», «wir beide und ein Oktopus» und «ein Oktopus beim Versuch, sich mit meiner Frau zu paaren» unterstützt werden.

Ich habe mich bei meinen letzten Tauchferien endgültig entschlossen, diesem Unwesen nicht länger tatenlos zuzusehen. Nicht nur, um die ahnungslosen Daheimgebliebenen vor solchem Leid zu retten, sondern auch, um das Tauchen als Ort der Entspannung zu erhalten, habe ich eine neue Sportart erfunden: Unterwasserfotobombing. Das Prinzip ist nichts Neues – an der Oberfläche hält es schon länger Einzug: Wann immer jemand gerade dabei ist, ein Selfie zu machen, pirscht man sich an und setzt sich im richtigen Moment in denkbar doofer Pose selber in Szene.

Ich zum Beispiel mache mir einen Spass daraus, jeweils kopfüber hinter den Fotografierten zu schweben, wobei meine Flossen die aus der Primarschule noch bekannten Eselsohren bilden. Alternativ dazu vollführe ich einen Unterwasserkosakentanz. Das führt recht schnell dazu, dass diese HobbytauchfotografInnen ihr Selfiegetue unterlassen oder sich mittelfristig einer anderen Tauchgruppe zuteilen lassen. Womit ich und die Oktopoden wieder unseren Frieden haben.

Etrit Hasler ist passionierter Hobbytaucher 
und kennt nichts Meditativeres, als unter Wasser herumzublubbern. Damit er das auch in Zukunft ungestörter tun kann, empfiehlt er das Taucherfotobombing unbedingt zur Nachahmung.