Durch den Monat mit Urs Buess (Teil 2): Ist Ihnen nicht ein wenig mulmig dabei, von einer Mäzenin abhängig zu sein?

Nr. 19 –

Basel erhält bis Ende 2011 eine neue Online- und Wochenzeitung. 
Der 57-jährige Journalist Urs Buess wird ihr Ko-Leiter. Die neue Zeitung 
solle auf keinen Fall zur Anti-«BaZ» werden, sagt er und berichtet 
vom grossen Interesse innerhalb der Branche am Projekt.

Urs Buess: «Man kann ja nicht nur über die Basler Fasnacht schreiben, während in Fukushima der nukleare Super-GAU droht.»

WOZ: Herr Buess, Sie sind von Moritz Suter, dem angeblichen Besitzer der «Basler Zeitung», als linker Gegenpol zum klar rechts positionierten Chefredaktor Markus Somm dargestellt worden. Sind Sie ein Linker?
Urs Buess: In vielen Sachfragen vertrete ich linke Positionen, also wehre ich mich nicht gegen die Bezeichnung. Ich bin allerdings kein Parteilinker. Die vehemente Bekämpfung der Senkung des Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge vom letzten Frühjahr habe ich beispielsweise nicht verstanden. Wir bürden den kommenden Generationen schon genug auf, braucht es da wirklich ein Rentensystem, das sie finanziell stark belasten wird?

Nach Ihrer Freistellung ist die linke Flanke bei der «BaZ» weggebrochen. Wird diese nun zu einer zweiten «Weltwoche»?
Das halte ich für unrealistisch. Die «Weltwoche» ist eine nationale Zeitung. Dadurch hatte sie die Möglichkeiten, sowohl ihre Leserschaft als auch die Redaktion auszuwechseln. Das ist mit einer regionalen Leserschaft unmöglich. Es gibt in Basel schlicht nicht genügend Leser, die sich im geistigen Umfeld der «Weltwoche» wohlfühlen. Ausserdem ist es sehr schwierig, auswärtige Journalisten nach Basel zu holen – das war schon vor der Ära Markus Somm so. Basel ist keine Medienstadt.

Noch nicht. Bis Ende Jahr soll eine neue Online- und Wochenzeitung erscheinen, finanziert von der Roche-Erbin Beatrice Oeri. Die Redaktion wird dreissig Leute umfassen – mit Ihnen als Ko-Leiter.
Unsere Redaktion wird damit nicht mal halb so gross wie jene der «BaZ» sein. Wie mir aber Ivo Bachmann, der für das Konzept des neuen Projekts verantwortlich ist, mitgeteilt hat, ist das Interesse tatsächlich sehr gross. Es hätten sich sogar Leute vom «Tages-Anzeiger» gemeldet. Und es gibt Redaktoren von der «BaZ», die sich deswegen bei mir melden.

Das Projekt klingt ja auch verlockend: Die Finanzierung ist zumindest mittelfristig gesichert. Der Versuch, täglich die Onlineseite zu bewirtschaften und wöchentlich eine gedruckte Ausgabe herauszugeben, ist in dieser Form neu. Ein Traumangebot, auch für Sie …
Ja, das ist so. Die Chance, bei einem solchen Projekt in leitender Stellung mitmachen zu können, erhalte ich wohl nicht mehr. Ich freue mich auf diese neue Herausforderung.

So gross dürfte die Herausforderung nicht sein: Es genügt doch, sich als Anti-«BaZ» zu positionieren. Immerhin haben beinahe 19 000 Personen die Aktion «Rettet Basel!» unterzeichnet, die eine SVP-unabhängige Tageszeitung und den Rücktritt von Somm fordert.
Das will ich hier in aller Deutlichkeit festhalten: Wir möchten eine Alternative sein, aber keine Anti-«BaZ». Das hat auch Beatrice Oeri klar kommuniziert. Wir werden unsere Berichterstattung nicht über ein ideologisches Pingpong führen. Das Spiel links gegen rechts mache ich nicht mit.

Was für eine Berichterstattung können wir vom neuen Projekt erwarten?
Wir wollen über Themen berichten, die die Basler interessieren. Das müssen nicht zwingend Basler Themen sein. Nationale Geschichten wie beispielsweise der Fall um den Bankier Oskar Hollenweger oder eine Bundesratswahl, aber auch internationale Ereignisse wie der Tod Usama Bin Ladens oder die Lage in Libyen bewegen die Basler doch viel mehr als ein Streit in einem Quartierverein. Man kann ja nicht nur über die Basler Fasnacht schreiben, während in Fukushima der nukleare Super-GAU droht.

Wie weit ist die Planung fortgeschritten?
Klar ist momentan, dass sich die Onlineinhalte von den gedruckten Inhalten unterscheiden werden. Zugleich soll der Community-Bereich eine zentrale Rolle spielen. Wir wollen unsere künftige Leserschaft so gut wie möglich einbinden. Ansonsten ist noch vieles offen, und es gibt viel zu tun bis zum Startschuss Ende Jahr.

Wie wollen Sie sich selbst in das neue Projekt einbringen?
Ich hoffe, dass sich der administrative Aufwand mit dem neuen Team in Grenzen hält und ich wieder voll und ganz journalistisch arbeiten kann, was bei der «BaZ» zuletzt nicht der Fall war. Darauf freue ich mich am meisten.

In Basel gibt es mit der Website «Online­reports» bereits eine Art Onlinezeitung. Diese wird einen schweren Stand gegen das neue Projekt haben, hinter der ausgerechnet eine Stiftung namens Medienvielfalt steht.
Um «Onlinereports» und Peter Knechtli, der für die Website verantwortlich ist, mache ich mir keine Sorgen. Knechtli ist Kult in Basel! Er hat seine Stammkundschaft und macht einen guten Job – ich glaube nicht, dass wir uns konkurrieren werden.

Ist Ihnen als Linkem nicht ein klein wenig mulmig beim Gedanken, dass schliesslich alles abhängig ist von einer Mäzenin?
Vor dem Hintergrund der Diskussionen und Spekulationen über die Besitzverhältnisse verschiedener Medien, insbesondere auch in Basel, finde ich das eine lustige Frage. Nein, mir ist nicht mulmig. Die Situation ist äusserst transparent: Die Roche-Erbin Beatrice Oeri finanziert die Startphase für eine neue Redaktion, die so schnell wie möglich erfolgreich sein und finanziell auf eigenen Beinen stehen will. Da sehe ich nichts Anrüchiges dran.