Strommarkt: Viel Strom, doch am falschen Ort

Nr. 50 –

Mittwoch, 9. Dezember, 8.24 Uhr: Im Zürcher Hauptbahnhof wird es dunkel, Rolltreppen stehen still, Fahrstühle stecken fest, automatische Türen bleiben zu, nichts geht mehr – Blackout im Zentrum Zürichs und in einzelnen Quartieren.

Eine Woche früher hatten die Zeitungen getitelt: «Warum uns bald ein Blackout drohen kann.» Swissgrid hatte in einer Medienmitteilung gewarnt, «aufgrund einer Verkettung besonderer Umstände» seien «die Energiereserven im Land knapp». Swissgrid kontrolliert das Stromnetz und ist für die zuverlässige Versorgung verantwortlich. Wegen des trockenen Sommerhalbjahrs führten die Flüsse weniger Wasser, und die Stauseen seien nicht gefüllt, schreibt Swissgrid. Zudem stünden die Reaktoren des AKWs Beznau still – deshalb eben der drohende Stromausfall. Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen doppelte nach: «Die angespannte Situation zeigt, dass ein sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie für die Sicherung der Versorgungssicherheit wenig zweckmässig ist.»

So viel Unsinn geht auf keine Kuhhaut. Realität ist: Es gibt mehr als genug Strom – in Europa und der Schweiz. Der Strom ist zudem so billig, dass es die Branche ruiniert. Bloss kann man den vorhandenen Strom im Land nicht nutzen, um einen «drohenden Engpass» aufzufangen.

Die Schweiz verfügt über mehrere grosse Stromautobahnen. Es sind Transitautobahnen, die für den Import und Export genutzt werden und dem Stromhandel dienen. Grosse Wasserkraftwerke und AKWs schicken ihren Strom direkt auf diese Stromautobahnen. Doch die Energieunternehmen haben es versäumt, von den Autobahnen genügend Abfahrten zu bauen. Daher fehlt in bestimmten Momenten der Strom auf der unteren Ebene, sozusagen auf den Kantonsstrassen, die das Land versorgen. Es bräuchte mehr Transformatorenstationen, um die Stromautobahnen mit dem Rest des Landes zu verbinden. Sie wurden von den Energieunternehmen nicht gebaut – wozu auch, wenn man sich vom internationalen Handel höhere Profite verspricht?

Die Branche hat den angeblich drohenden Blackout selbst verschuldet. Das liesse sich verhindern, indem der Bund die Netze übernähme. Dann gäbe es nur noch Pannen, weil auch mal technisch etwas schiefgehen kann – wie übrigens am Mittwoch in Zürich.