Das Phänomen Donald Trump: Je extremer, desto besser
Er ist der Extremste und der Schrillste. Dennoch führt Fernsehstar und Immobilientycoon Donald Trump das Feld der republikanischen KandidatInnen für die US-Präsidentschaftswahl deutlich an. Am meisten Gefahr droht ihm nun von einem anderen Hardliner.
Er hält den Klimawandel für «bullshit», will eine 3000 Kilometer lange Mauer zwischen den USA und Mexiko bauen lassen und MuslimInnen die Einreise verbieten. Er lügt schon fast notorisch, beleidigt Behinderte und kritische Journalistinnen, schneidet ständig Grimassen und hält sich selbst für den Grössten. Und jedes Mal, wenn KommentatorInnen glaubten, mit einer Bemerkung habe er sich ins Abseits manövriert, legt er bei den Umfragen weiter zu. Gut einen Monat vor Beginn der Vorwahlen für die Präsidentschaft der USA führt Donald Trump das Feld der republikanischen KandidatInnen bei den Meinungsumfragen haushoch an.
Trumps grösster Vorteil ist seine Bekanntheit. Seit Jahren ist er ein Fernsehstar. Von 2003 bis Anfang 2015 war er Moderator und Spielleiter der Realityshows «The Apprentice» beziehungsweise «The Celebrity Apprentice». Dabei inszenierte er sich als cleverer Geschäftsmann, der alles besser weiss und jeden beurteilen kann. In den letzten Jahren hat er eine Reihe viel gelesener Ratgeberbücher verfasst, bei denen es meist um die Frage geht, wie man am schnellsten reich und erfolgreich werden kann.
Spiel mit der Öffentlichkeit
Trumps Bekanntheit und seine Mediengewandtheit haben zu einem Spiel mit den grossen TV-Stationen geführt, bei dem beide Seiten gewinnen. Trump verschafft den Medien mit seinen haarsträubenden Forderungen und Kommentaren Aufhänger für einfache, klare Geschichten. Seine Aussagen werden dabei wiederholt, ExpertInnen oder PolitikerInnen dürfen sie kommentieren. So bleibt er im Gespräch und spart sich erst noch bezahlte Werbespots. Mit dieser Strategie erhielt Trump in den grossen TV-Kanälen dieses Jahr 23-mal mehr Sendezeit als der demokratische Kandidat Bernie Sanders, der bei den Vorwahlen gegen Hillary Clinton antritt und in den Umfragen auf überraschend hohe Zustimmung stösst.
Trump hat zudem erkannt, dass sich mit dem Thema Immigration derzeit am besten punkten lässt. Seit der Ankündigung seiner Kandidatur am 16. Juni fordert er unentwegt den Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko, die der südliche Nachbar auch noch selbst bezahlen soll, wie er inzwischen nachgereicht hat. Denn aus Mexiko würden Drogendealer, Kriminelle und Vergewaltiger ins Land strömen, behauptet er. Dieses Thema bewirtschaftet er seither weiter, etwa mit der Forderung, dass alle der geschätzten elf Millionen Sans-Papiers ausgeschafft werden müssten. Trump verknüpft die Migrationsfrage immer wieder mit generellen Botschaften, dass die USA völlig heruntergewirtschaftet seien und dass der Dumme am Ende der US-Bürger sei, der alles bezahlen müsse und dem dann noch die Jobs von China, Japan und Mexiko geklaut würden. Es geht bei ihm immer um «wir» gegen die anderen – genauso wie bei den Nationalisten und Rechtspopulistinnen in Europa.
Auch den Terroranschlag von San Bernardino, bei dem 14 Menschen getötet und 21 weitere verletzt wurden, hat Trump sofort für sich ausgeschlachtet. Seine Forderung nach einem Einreiseverbot für alle MuslimInnen hat ihm in den Umfragen weiter Auftrieb verschafft. Selbst christlich-fundamentalistische WählerInnen wollen ihn offenbar, trotz seines exzentrischen Lebensstils, jetzt in grosser Zahl wählen.
Doch Trump ist eben der perfekte Antipolitiker: Er hat noch nie ein öffentliches Amt bekleidet. Er verkauft sich als «Mann aus dem Volk» und stellt die PolitikerInnen als unfähige VerliererInnen hin. Ausserdem, sagt er, sei er, anders als die MitbewerberInnen, als Multimilliardär von niemandem finanziell abhängig.
Konkurrenz aus Texas
Laut neusten Meinungsumfragen wird Trump am meisten vom texanischen Senator Ted Cruz bedrängt, der von der Ölindustrie seines Bundesstaats stark unterstützt wird. Cruz ist in seinen Positionen ebenso extrem wie Trump, nur viel weniger schrill. Trump gibt sich Cruz gegenüber jovial und hat ihn, anders als die meisten seiner KonkurrentInnen, bislang noch nicht persönlich attackiert. Cruz’ Vorteil besteht darin, dass er etwa bei der Frage nach der Ausschaffung von Sans-Papiers weitaus konkretere Pläne als Trump präsentiert. Im Verlauf des Wahlkampfs könnte sich das auszahlen.
Trumps Stärke sind seine TV-Auftritte, seine Schlagfertigkeit in Interviews. Er findet immer einen Weg, sich herauszureden, verdreht und lügt ohne Scham. Geschickt wechselt er bei Antworten das Thema und redet so schnell, dass er kaum unterbrochen werden kann. Seine öffentlichen Auftritte vor Publikum dagegen sind langatmig. Dort gibt er eine schlechte Kopie des italienischen Antipolitikers Beppe Grillo, ist aber oft nur ein grimassenschneidender Zyniker, der sich ständig wiederholt.
Trump hat erkannt, dass er seine Konkurrenz nur von rechts her besiegen kann; aus der Ecke des Volkstribuns, der scheinbare Tabus bricht und die politische Korrektheit verletzt. Damit wird er sogar für Leute attraktiv, die sonst für Wahlen nur ein müdes Lächeln übrig haben. So haben die Macher des «Daily Stormer», einer rechtsradikalen Website, die sich als Interessenhüter «der weissen Rasse» verstehen, zur Wahl von Trump aufgerufen. Klar, dass solche Typen keine Mehrheitsbeschaffer sind. Doch Leute mit der Angst vor sozialem Abstieg gibt es in den USA viele, nicht zuletzt wegen des schwach ausgebauten Sozialstaats. Sie gehören zur Zielgruppe von Trump. Er versucht, ihnen einzureden, dass an ihren Problemen die AusländerInnen schuld seien.
Der Erfolg von Trump ist auch ein Symptom für die Veränderung der Republikanischen Partei und ihrer AnhängerInnenschaft. Die Grand Old Party ist in den letzten Jahren Stück um Stück weiter nach rechts gerückt. Getrieben wurde sie dabei von den Tea-Party-Strömungen innerhalb und ausserhalb der Partei sowie von einflussreichen Geldgebern wie den Brüdern Charles und David Koch. Trumps schärfster Konkurrent Ted Cruz wurde mit dieser Strömung nach oben gespült. Besonnenere Stimmen innerhalb der Partei, klassische RealpolitikerInnen, die Machtverhältnisse und Interessen abwägen, sind derzeit chancenlos.
Am 1. Februar 2016 findet im Bundesstaat Iowa die erste Vorwahl statt. Ted Cruz liegt ausgerechnet dort in den Meinungsumfragen vor Trump. Ein Sieg würde Cruz zusätzlich Auftrieb verschaffen. Zudem verfügt er über eine sehr professionelle Wahlkampfmaschine, was sich längerfristig auszahlen könnte. Sein Stab soll beim Auswerten von personenbezogenen Datensammlungen führend sein. Damit werden Psychogramme von potenziellen WählerInnen erstellt und diese mit individuell abgestimmten Werbemassnahmen angesprochen.
Womöglich werden Trumps Sprüche und Faxen irgendwann langweilig – Cruz wäre der logische Erbe. Dank eines seriösen Auftretens kann er auch Leute für sich gewinnen, denen Trumps Stil missfällt. Für die wahrscheinliche demokratische Kandidatin Hillary Clinton wäre er bei der Präsidentschaftswahl vom 8. November 2016 eine weit grössere Bedrohung.