Die Bundesanwaltschaft und der Goldhandel : «Politische Justiz zum Schutz wirtschaftlicher Interessen»
Die Goldraffinerie Argor-Heraeus importierte und verarbeitete 2004 und 2005 Gold, das «aller Wahrscheinlichkeit nach illegal geschürft» wurde. Doch die Bundesanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Vorschnell, sagt Strafrechtsprofessor Mark Pieth.
Gibt es so etwas wie sauberes Gold? Und wenn beim Abbau des Edelmetalls SchürferInnen ausgebeutet und Menschenrechte verletzt werden – tragen Schweizer Unternehmen, die das Gold hierzulande verarbeiten, dafür eine Verantwortung? Selbst der Bundesrat sieht im Goldhandel mittlerweile ein «Reputationsrisiko» für die Schweiz und hat Anfang Dezember einen Bericht in Auftrag gegeben, der den Goldsektor ausleuchten soll.
Tatsächlich ist in der Öffentlichkeit wenig über den Goldhandel bekannt. Dabei spielt die Schweiz in diesem Markt eine zentrale Rolle: Rund neunzig Prozent des weltweiten Handelsvolumens laufen über gerade mal sechs Raffinerien – vier davon haben den Sitz in der Schweiz. Jedes Jahr werden Hunderte Tonnen Rohgold in die Schweiz eingeflogen, hier veredelt und dann weiterverkauft. Laut der entwicklungspolitischen NGO Erklärung von Bern importieren Schweizer Raffinerien den Gegenwert von rund siebzig Prozent der weltweiten Goldproduktion und verfeinern Roh- und Altgold zu handelbaren Feingoldbarren. Im Jahr 2013 wurden rund 3000 Tonnen Rohgold mit einem Wert von über 100 Milliarden Franken eingeführt.
Wie viel davon stammt aus fragwürdigen Quellen? Wie viel ist schmutziges Gold?
Fragwürdige Einstellungsgründe
In seiner aktuellen Ausgabe geht das Schweizer Magazin «Reportagen» einem äusserst umstrittenen Fall von Goldhandel nach. Es rollt eine Geschichte neu auf, die 2004 in der von Milizen umkämpften Region Ituri im Ostkongo ihren Anfang nahm und im März 2015 in Bern ein Ende fand, als die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen die Tessiner Goldraffinerie Argor-Heraeus einstellte. «Reportagen» hat als erstes Medium die Einstellungsverfügung veröffentlicht. Zudem hat das Magazin mit dem ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten der Goldraffinerie gesprochen, der in erstaunlicher Offenheit über die Schwierigkeiten der Branche Auskunft gab. Allerdings wollen nun Anwälte die Verbreitung der Inhalte unterbinden, da der Artikel unter anderem persönlichkeitsverletzend sei (vgl. «Es darf nicht zitiert werden» im Anschluss an diesen Text).
Der Fall Argor-Heraeus sorgte für nur wenig mediales Echo. Das ist erstaunlich, denn die Gründe, warum die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen einstellte, sind höchst fragwürdig, wie der Basler Strafrechtsprofessor und Geldwäschereiexperte Mark Pieth sagt. Er hat die Einstellungsverfügung studiert und kritisiert sie scharf. Die Bundesanwälte hätten es sich zu einfach gemacht, sagt Pieth. Für ihn deutet alles darauf hin: «Das Verfahren wurde aus politischen Gründen eingestellt.»
Es ist ein heftiger Vorwurf, den Pieth gegen die Justizbehörde erhebt. Ein Vorwurf, den er allerdings gut begründen kann.
Gemäss der Einstellungsverfügung, die der WOZ vorliegt, eröffnete die Bundesanwaltschaft am 1. November 2013 ein Verfahren gegen Argor-Heraeus und gegen den Vizepräsidenten der Raffinerie. Vorausgegangen war eine Strafanzeige der NGO Track Impunity Always (Trial) in Genf. Laut der NGO war Argor-Heraeus in den Jahren 2004 und 2005 mit Golderz aus der an Uganda grenzenden Region Ituri beliefert worden, um es in Mendrisio einzuschmelzen und zu verfeinern. Das Problem: In der Region im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo tobte zu dieser Zeit ein bewaffneter Konflikt. Das geschürfte Golderz ist laut Trial geplündert und der Erlös von der bewaffneten Miliz FNI zur Finanzierung von Waffen und militärischen Operationen eingesetzt worden. Die NGO warf der Tessiner Goldraffinerie vor, von der illegalen Herkunft des Goldes gewusst zu haben. Durch die Verarbeitung des Golderzes zu Feingold habe sie zudem dessen kriminelle Herkunft verschleiert.
Argor-Heraeus sah sich also zwei schweren Vorwürfen ausgesetzt: der Geldwäscherei und der Gehilfenschaft zu Kriegsverbrechen durch Plünderung. Unter diesem Titel eröffnete die Bundesanwaltschaft im Herbst 2013 das Verfahren. Sie durchsuchte die Büros von Argor-Heraeus in Mendrisio, ordnete verschiedene Telefonüberwachungen an und nahm Einsicht in Ermittlungsakten aus Britannien. Dort wurden dieselben Ereignisse ebenfalls untersucht, der Fokus lag dabei allerdings auf dem Unternehmen Hussar, dem Käufer des Rohgoldes.
Gemäss der Einstellungsverfügung bestätigten die ErmittlerInnen des Bundes die in der Strafanzeige geschilderten Ereignisse über weite Strecken: Zwischen Juli 2004 und Juni 2005 verkaufte die ugandische Firma UCI, die später auf einer Uno-Sanktionsliste landete, Gold an das britische Handelsunternehmen Hussar. Dieses liess das Rohgold von Argor-Heraeus in Mendrisio verarbeiten. So wurden in den Jahren 2004 und 2005 rund 2950 Kilogramm Rohgoldbarren in die Schweiz geflogen, zu Feingold veredelt und so für den Goldmarkt handelbar gemacht. Das Gold war laut Bundesanwaltschaft «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit illegal geschürft worden». Argor-Heraeus «hätte wissen können, dass das aus Uganda angelieferte Rohgold mit grösster Wahrscheinlichkeit im Ostkongo geplündert wurde und dort zur Finanzierung des Konflikts diente». Das Unternehmen habe «objektiv Hilfe zu den begangenen Kriegsverbrechen» geleistet. Trotzdem stellte die Bundesanwaltschaft das Verfahren im Punkt der Gehilfenschaft zu Kriegsverbrechen ein. Denn «subjektiv muss der Gehilfe wissentlich und willentlich seinen Tatbeitrag leisten». «Wissen können» allein reiche für einen Vorsatz nicht aus.
Mark Pieth findet die Ausführungen der Bundesanwaltschaft bemerkenswert deutlich. Aber er kritisiert, sie habe in entscheidenden Punkten offenbar nicht nachgefragt. So hat der Uno-Sicherheitsrat mehrere Berichte über die Konflikte in der Region veröffentlicht. Bereits 2002 machte er auf die Probleme der Ressourcenplünderung im Ostkongo aufmerksam. In einem Bericht Ende Juli 2005 nannte er in diesem Zusammenhang dann erstmals namentlich die Goldhändler Hussar und die Raffinerie Argor-Heraeus. Hat die Bundesanwaltschaft Argor-Heraeus auf diese Berichte angesprochen? Hätte die Goldraffinerie von den Vorgängen wissen müssen?
Auf Anfrage der WOZ verweist die Bundesanwaltschaft auf die Einstellungsverfügung. Darüber hinaus will sie sich nicht äussern.
In der Einstellungsverfügung heisst es zudem, dass laut Strafanzeige eine Vertreterin einer Uno-Expertengruppe, die für den Uno-Sicherheitsrat die Konflikte im Nordosten des Kongo untersuchte, im Oktober 2004 Angestellte der Goldhändlerin Hussar über die illegale Herkunft des Goldes informiert habe. Auch Argor-Heraeus habe davon gewusst. Pieth sagt: «Die wichtige Frage ist: Hat die Bundesanwaltschaft die Uno-Vertreterin einvernommen? Wenn nicht, wäre das eine gravierende Unterlassung.» Schliesslich habe die Bundesanwaltschaft den Punkt der Gehilfenschaft zu Kriegsverbrechen unter anderem mit genau diesem Argument fallen lassen: dass es «keine Hinweise» darauf gebe, dass Argor-Heraeus von den Informationen der Uno-Vertreterin gewusst habe.
180-Grad-Wende
Als «nicht nachvollziehbar» bewertet Pieth dann die Begründung, mit der der zweite Punkt des Verfahrens eingestellt wurde: der Verdacht auf Geldwäscherei. Argor-Heraeus, so der Vorwurf in der Strafanzeige, habe durch die Raffinierung des Goldes die Herkunftsermittlung vereitelt und sich so der Geldwäscherei strafbar gemacht. Die Bundesanwaltschaft listet in der Einstellungsverfügung eine Reihe von Unterlassungen des Unternehmens auf. Argor-Heraeus hatte sich nämlich 2004 in einem internen Reglement die Einhaltung gewisser Sorgfaltspflichten auferlegt. Demnach bestanden «bei ungewöhnlichen Transaktionen oder bei Vorliegen von Anhaltspunkten, wonach Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren», besondere Abklärungspflichten. Die Angaben der Goldlieferanten «hätten auf Seiten von Argor-Heraeus Zweifel hervorrufen müssen», dass das Gold aus Uganda stammte. Man «hätte nachfragen müssen», schreibt die Bundesanwaltschaft, und «daraus den Schluss ziehen können, dass es sich mit grösster Wahrscheinlichkeit um Plündergut handelte».
Nach dieser Auflistung macht die Bundesanwaltschaft allerdings eine 180-Grad-Wende und schliesst: «Die Dokumentation enthielt keine konkreten Hinweise auf eine illegale Herkunft des Goldes. Der Vorwurf der Geldwäscherei konnte somit nicht erhärtet werden.»
Pieth erkennt darin eine Widersprüchlichkeit der Bundesanwaltschaft. «Die Sorgfaltspflicht ist erwiesen. Und dennoch sagt sie, Geldwäscherei durch Unterlassen liege nicht vor, und stellt das Verfahren ein.» Auch in diesem Punkt habe die Bundesanwaltschaft nicht richtig nachgefragt. Die Einstellungsverfügung hat für ihn damit an den entscheidenden Punkten Schwächen. Pieth ist davon überzeugt, dass man ähnlich gelagerte Drogenfälle ganz anders behandeln würde. Es gebe für ihn deshalb keine andere Erklärung: «Es sieht alles danach aus, dass das ein Fall von politischer Justiz ist, um die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz zu schützen.» Die Schweiz sei ein Hub des Goldhandels. Statt das problematische Thema konsequent und schonungslos anzugehen, wähle die Schweiz «einmal mehr eine handgestrickte Vorgehensweise».
Ogi bereut nichts
Am 10. März 2015 stellt die Bundesanwaltschaft das Verfahren gegen Argor-Heraeus ein. Sowohl die Firma als auch die Manager werden von jeglicher strafrechtlicher Verantwortung entlastet. Das Unternehmen betont das. Mehrfach. Einer, der das ebenfalls betont, ist Adolf Ogi.
Der Altbundesrat und ehemalige Uno-Sonderberater für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden ist ab 2002 Verwaltungsrat von Argor-Heraeus. Kurz nach Einstellung des Verfahrens tritt Ogi zurück. Am 12. März wird sein Austritt aus dem Verwaltungsrat im Handelsregister eingetragen.
Ist ihm die Goldbranche zu heikel geworden? Ist das Timing Zufall? Ogi sagt, sein Rücktritt habe nichts mit der Einstellungsverfügung zu tun. «Ich habe schon viel früher gesagt: Ich steige aus.» Es sei ohnehin «ein Freundschaftsdienst» gewesen, dass er 2002 überhaupt bei Argor-Heraeus eingestiegen sei.
Als Münze Österreich, eine Tochterfirma der Österreichischen Nationalbank, sich an der Goldraffinerie beteiligte, benötigten die Österreicher einen Schweizer, der ihren Sitz im Verwaltungsrat übernimmt. Nach altem Aktienrecht musste in einer Schweizer Firma die Mehrheit der Verwaltungsratssitze von SchweizerInnen besetzt sein. Die ÖsterreicherInnen dachten an Adolf Ogi, mit dem sie gute Beziehungen hatten. «Ich sagte ihnen: Ich verstehe nichts davon, ich kenne dieses Geschäft nicht.» Aber die ÖsterreicherInnen beharrten auf ihrer Anfrage, und Ogi sagte schliesslich zu.
Ein falscher Entscheid? Ogi bereut nichts. Er sagt: «Es wird immer mal wieder versucht, die Tätigkeit des Unternehmens infrage zu stellen – ohne Erfolg: Zweimal musste sich das Unternehmen den Untersuchungsbehörden stellen. Zweimal gab es strafrechtlich nichts zu beanstanden. Während meiner Zeit ist alles sauber gelaufen.»