Porträt: Kriegsverbrechern auf der Spur

Nr. 26 –

Philip Grant, der 43-jährige Direktor des in Genf ansässigen Vereins Trial, kämpft gegen die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Verurteilung des ehemaligen guatemaltekischen Polizeichefs Erwin Sperisen in Genf ist für ihn ein grosser Erfolg.

Philip Grant im Gandhi-Saal der Genfer Maison des Associations (Haus der Vereine), wo der von ihm gegründete und geleitete Verein Trial arbeitet.

Es begann im Jahr 1996. «Das Gerücht ging um, der ehemalige Diktator Chiles, Augusto Pinochet, plane eine Reise in die Schweiz. Wir wälzten Pläne, wie wir die Einreise des Diktators verhindern könnten, und ich plädierte dafür, dass man versuchen sollte, ihn hier im Land verhaften zu lassen», erinnert sich Philip Grant, damals ein junger Menschenrechtsaktivist. Seine KollegInnen taten die Idee als Hirngespinst ab. Doch zwei Jahre später, im Oktober 1998, standen zwei Inspektoren von Scotland Yard im Londoner Krankenhauszimmer von Pinochet und verhafteten ihn wegen Verdachts auf Völkermord, Terrorismus und Folter.

«Meine damalige Idee war also gar nicht so abwegig gewesen», freut sich Grant bis heute. Die Verhaftung und der Prozess gegen Pinochet waren der Beginn einer internationalen Bewegung gegen die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverbrechen; im Jahr 2002 nahm dann der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Tätigkeit auf.

Philip Grant ist von seinem schottischen Vater und seiner Walliser Mutter katholisch erzogen worden. Davon blieb ihm «ein tief verankertes Gefühl für Gerechtigkeit». Als junger Mann war er beeindruckt von Mahatma Gandhis Lehre vom gewaltfreien Widerstand; er verweigerte den Militärdienst und leistete Zivildienst bei der Organisation «Freiplatzaktion für Asylsuchende» in Zürich. Kurze Zeit sass er für die Sozialdemokratische Partei im Genfer Gemeinderat. Dort spürte er, dass ihn die politische Laufbahn wenig interessierte. 2002 gründete er den Verein Trial, den er heute hauptberuflich leitet.

Einsatz für die Opfer

Aus der kleinen, verschworenen Gruppe ist ein international tätiger Verein mit zwanzig Mitarbeitenden und 400 Mitgliedern geworden, davon ein Drittel in der Deutschschweiz. Doch Ermittlungen und Klagen gegen grosse Fische wie Erwin Sperisen, gegen den Trial 2009 zusammen mit anderen Organisationen Klage eingereicht hatte, sind nur der sichtbarste Teil der Arbeit.

Der hauptsächliche Einsatz gilt den Opfern von Völkermord und Folter oder Verschwundenen in kriegsversehrten Ländern wie Bosnien, Nepal, Tunesien, Burundi, Algerien oder der Demokratischen Republik Kongo. International vernetzt, hilft Trial vergewaltigten Frauen und Überlebenden von Massakern, ein nationales oder internationales Gericht anzurufen. «Oft ist unsere Klage die erste Anerkennung des Leidens, das die Opfer durchgemacht haben», sagt Grant. Der Verein finanziert seine Arbeit durch Spenden, Mitgliederbeiträge und Zuwendungen der Uno und der Eidgenossenschaft sowie des Kantons und der Stadt Genf.

Seit einiger Zeit entwickelt Trial einen weiteren Schwerpunkt: «Wir gehen gegen Unternehmen vor, die wir im Verdacht haben, internationales Recht zu verletzen, wie etwa die Gruppe Argor-Heraeus, die im Goldgeschäft tätig ist.» Zwischen 2004 und 2005 habe das im Tessin ansässige Unternehmen Gold verarbeitet, das vermutlich in der Demokratischen Republik Kongo geplündert worden sei, so Grant.

Plünderungen gelten gemäss Genfer Konvention als Kriegsverbrechen – der Verein reichte Ende Oktober 2013 Strafklage wegen Verdachts auf Geldwäscherei und Kriegsverbrechen respektive Beihilfe zu Kriegsverbrechen ein. Argor-Heraeus wies die Anschuldigungen zurück: Das Unternehmen sei bereits von der Uno, dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco und der Schweizer Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma von solchen Vorwürfen entlastet worden.

Neue Standards setzen

Es war deshalb bereits ein kleiner Sieg, dass die Bundesanwaltschaft aufgrund der Trial-Klage ein Verfahren gegen das Unternehmen eröffnete und am 4. November 2013 den Firmensitz durchsuchte. «Es geht uns immer auch darum, neue Standards für die Rechtsprechung zu setzen», sagt Grant. Eine Verurteilung würde international einen Präzedenzfall schaffen. Es wäre das erste Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, dass ein Unternehmen wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen verurteilt würde. «Auch möchten wir mit unserer Klage dazu beitragen, das Verantwortungsbewusstsein innerhalb von Branchen und innerhalb von Unternehmen zu schärfen, die in so sensiblen Bereichen wie Waffenexport oder Handel mit Rohstoffen tätig sind.» Mitglied des Verwaltungsrats von Argor-Heraeus ist unter anderen Altbundesrat Adolf Ogi.

In seinen seltenen freien Stunden entspannt sich Grant am Teleskop. Den nächtlichen Sternenhimmel zu betrachten, stelle für ihn jeweils die richtigen Dimensionen wieder her. «Es erlaubt mir, mich selbst infrage zu stellen. Wenn ich die Sterne betrachte, bin ich überzeugt, dass es eine umfassende Gerechtigkeit gibt. Aber sie kommt nicht von oben, sie muss von den Menschen erkämpft und durchgesetzt werden.»