Gotthard: Die fünfte, nicht die zweite Röhre
Am 28. Februar wird abgestimmt, ob am Gotthard ein fünfter Tunnel gebaut wird: zusätzlich zum alten Bahntunnel zwischen Göschenen und Airolo, der nach der Eröffnung der neuen Basistunnels Kapazitäten für einen Autoverlad bietet. Zusätzlich zur A2-Röhre, die den Lastwagen- und Autoverkehr – aufgeblasenen Staumeldungen zum Trotz – an den meisten Tagen bewältigt. Und zusätzlich zu zwei im Juni in Betrieb gehenden, dreissig Milliarden teuren Neat-Röhren zwischen Erstfeld und Biasca, die mit einem gescheiten Fahrplan Platz für einen Verlad von Lastwagen und Autos bieten, der die A2 weiter entlasten kann.
In der Millionenkampagne von Tunnelbau- und Transportgewerbe tönt das anders: Das Projekt wird als «zweite» Gotthardröhre oder als zur Instandhaltung der A2 nötiger «Sanierungstunnel» verkauft. Bundesrätin Doris Leuthard verspricht, die neue und die alte Röhre würden einspurig betrieben. Ohne Kapazitätsausbau. Einer neuen Umfrage zufolge erkennt das eine Mehrheit der Bevölkerung als Kampagnenlüge, die die Tatsache unter dem Tisch halten soll, dass die Schweiz mit zwei Autobahnröhren am Gotthard keine Möglichkeit mehr hat, die europäische Lastwagenflut in Schranken zu halten.
Die Taktik, drei gebaute Tunnels aus der Debatte verschwinden zu lassen, erweist sich als wirksam: BefürworterInnen einer umweltverträglichen Verkehrspolitik kämpfen brav gegen die «zweite» Röhre und finden sich in der Rolle von Fundamentalisten, die die Instandhaltung einer sicheren Gotthardtransversalen verhindern wollen.
Dabei sind die Fakten klar: Es geht nicht um eine zweite, sondern um eine fünfte Röhre. Und weder um eine Sanierung noch um mehr Sicherheit. Österreich zeigt am Arlberg, dass sich ein nicht wesentlich kürzerer Strassentunnel mit massiv tieferen Kosten ohne neue Röhre sanieren lässt. Eine fünfte Röhre am Gotthard zerstört die in der Neat-Abstimmung von 1992 und der Alpeninitiative-Abstimmung von 1994 verankerte Politik der Umlagerung eines möglichst grossen Teils des Transitverkehrs auf die Schiene.
Richard Aschinger ist ehemaliger «Bund»-Redaktor und Buchautor.