Wichtig zu wissen: Tunnelabsichten

Nr. 5 –

Susi Stühlinger schaut in die Röhre

Jedermann hatte die Absicht, einen Tunnel zu graben. Zuvorderst, ganz klar, stand zunächst die automobile Sicherheit auf der alten Alpentransversale. Die zweite Gotthardröhre musste gebaut werden. Weil Sicherheit, das wusste Fuhrhalter und Nationalrat Ulrich Giezendanner, ging im Zweifelsfall vor.

Als engagierter Kämpfer für einen wesensgerechten Verkehr, wie er sich selbst gern vorzustellen pflegte, hatte er sich bereits gegen das bundesrätliche Verkehrsunsicherheitspaket Via Sicura und für noch mehr Sicherheit eingesetzt: Umsichtig hatte er jene parlamentarische Initiative mitunterzeichnet, die die Verkehrssicherheit den Fängen der überbordenden Bundesbürokratie entriss und stattdessen in die verantwortungsvolleren Hände der motorisierten Individualverkehrsteilnehmer legte. Schliesslich konnte es nicht sein, dass ehrenwerte Bürger, wie sein Gotthardröhrenabstimmungskomiteekollege Filippo Lombardi, hinter Schloss und Riegel gesteckt wurden, nur weil man einmal an einer volksnahen Veranstaltung ein Glas Wein zu viel aufgeschwatzt bekommen hatte.

Dass die Verfassung mit dem Graben eines neuen Tunnels sprichwörtlich ausgehöhlt wurde, wie das Nein-Lager behauptete, konnte man so nicht gelten lassen, und schon gar nicht in Bezug auf den hinkenden Vergleich zur von seiner Partei geforderten konsequenten Behandlung von kriminellen Ausländern. Im Gegensatz zur Durchsetzungsinitiative, die nötig war, um dem Volkswillen Nachdruck zu verleihen, ging es hier ja nicht darum, dass der Staat bisher nichts unternahm, obwohl ihn der Souverän mit der Alpeninitiative dazu verpflichtet hatte. Viel mehr ging es darum, dass der Staat etwas in Zukunft unternahm, ohne dass deshalb automatisch ein Verfassungsartikel in Mitleidenschaft gezogen würde: Niemand hatte die Absicht, die zwei Röhren jemals vierspurig zu befahren. Ausserdem waren Verkehrsdelikte im Katalog der SVP-Initiative ja gar nicht aufgeführt. Den Gegnern fehlte es einfach an Logik.

Schliesslich waren sogar die SBB für die zweite Röhre, wie eine Sprecherin dem «SonntagsBlick» bestätigt hatte – und das war ja auch nur korrekt, schliesslich hatten sie mit dem Gotthard-Basistunnel bereits einen Tunnel bekommen und die Sozialdemokraten mit Moritz Leuenberger ein Verwaltungsratsmandat bei der Implenia. Da war es nur fair, dass mit Doris Leuthard und der Firma Lombardi auch die CVP einmal einen Tunnel bauen durfte.

Er, Ulrich Giezendanner, würde dereinst selbstverständlich auch noch einen Tunnel haben. Einen eigenen, einen besseren, einen längeren Tunnel. In Härkingen-Niederbipp, nur einen Steinwurf vom heimischen Rothrist entfernt, sollte dereinst das modernste Tunnelprojekt seinen Anfang nehmen. Eine illustre Trägerschaft hatte soeben die «Cargo Sous Terrain» vorgestellt, eine Gütertransport-U-Bahn von St. Gallen bis Genf mit zahlreichen Umschlag-Hubs im schönen Aargau. Das schrie förmlich nach einem Projekt für die Giezendanner Transport AG. Da konnten Leuthards, Leuenbergers und Lombardis einpacken.

Susi Stühlinger arbeitet derzeit für eine Transportsimulation.