Eritrea: Reise in einen potemkinschen Staat

Nr. 7 –

Die Lage in Eritrea ist nicht so schlimm, wie der Uno-Menschenrechtsrat, Amnesty International, die Schweizerische Flüchtlingshilfe oder das Staatssekretariat für Migration weismachen möchten. Zu diesem Schluss kommt eine Gruppe von Schweizer PolitikerInnen aller Couleur, die eine sechstägige Reise ins ostafrikanische Land unternommen haben. Susanne Hochuli (Grüne/AG) spricht in zahlreichen Medien von ihren positiven Eindrücken, etwa von löblichen Vorhaben der Regierung, die an fehlenden Ressourcen scheiterten. Nun fordern vier der fünf Reisenden – SP-Nationalrätin Yvonne Feri hat einen entsprechenden Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga nicht mitunterzeichnet – einen «Dialog auf Augenhöhe», mehr Entwicklungshilfe sowie eine ständige Vertretung der Schweiz im Land. Dass die Menschen auf der Strasse nicht über die Regierungspolitik sprechen wollten, vermochte die Lagebeurteilung der ParlamentarierInnen offenbar nicht zu relativieren.

Laut einem Bericht der Uno gibt es in Eritrea Zwangsarbeit, Folter und willkürliche Hinrichtungen. Der obligatorische Wehrdienst ist zeitlich unbeschränkt, systematisch werden Minderjährige rekrutiert, und viele Menschen «verschwinden» einfach. Dennoch passt es Thomas Aeschi (SVP/ZG) nicht, dass fast alle eritreischen AsylbewerberInnen in der Schweiz Aufnahme finden – wenn auch nur vorläufig. «Diese Entwicklung darf nicht anhalten», hiess es schon vor der Abreise auf seiner Website. Seine Einwände sah er vor Ort bestätigt: Die Mitglieder der Gruppe hätten sich frei bewegen können, von einem Überwachungsstaat habe er nichts gemerkt. Überhaupt habe er gar nicht den Anspruch gehabt, die Menschenrechtssituation zu analysieren.

Wer eine Reise tut, sollte nicht immer etwas erzählen – vor allem nicht, wenn ein Blick hinter die Kulissen nicht möglich ist. Gerade in Diktaturen finden die meisten Menschenrechtsverletzungen nicht in der Öffentlichkeit statt, schon gar nicht vor den Augen unbedarfter PolitikerInnen aus der fernen Schweiz. Dennoch werden Letztere in hiesigen Medien zu ExpertInnen gemacht – auch wenn ihnen die Expertise fehlt.