Hausbesetzung in Biel: Selbstverwaltung an der Kontrollstrasse

Nr. 8 –

Solidarität mit Geflüchteten statt Eigentum und Leerstand: Die Kontrollstrasse 22 in Biel wurde Mitte Februar besetzt – zum zweiten Mal. Am 20. Dezember war das «Kollektiv Kontrollstrasse» schon einmal eingezogen. Für vier Wochen wurde das leer stehende Gebäude zu einem sozialen Treffpunkt, wo die Herkunft keine Rolle spielte. Ein Infocafé und Schlafplätze wurden eingerichtet; Abendessen, Lesungen und Vernetzungstreffen fanden im Haus an der Kontrollstrasse statt. Eine Werkstatt entstand, und Kleider wurden umsonst verteilt und getauscht.

Die evangelisch-reformierte Gesamtkirche verwaltet die Kontrollstrasse 22. In Zusammenarbeit mit dem Verein Zentrum Bäregg sollen dreissig unbegleitete minderjährige Asylsuchende im Haus untergebracht werden, teilte die Kirche den BesetzerInnen im Januar mit. Bereits im Februar würden die Umbauarbeiten beginnen, auf den 1. April die jungen Geflüchteten einziehen. Die BesetzerInnen wollten dem Projekt nicht im Weg stehen und zogen am 22. Januar aus. Dann fragten sie beim Zentrum Bäregg nach. Es stellte sich heraus: Für den Verein ist das Haus ungeeignet, das Projekt wird nicht umgesetzt. Das Gebäude stand wieder leer.

Hat die Kirche das Kollektiv knallhart belogen? Die Bieler Gesamtkirche will sich dazu gegenüber der WOZ nicht äussern. Seit zwei Wochen ist die Kontrollstrasse wieder besetzt. Im basisdemokratischen Kollektiv organisieren sich nach wie vor Leute unterschiedlicher Herkunft. «Für staatliche Institutionen bedeutet Geflüchtete aufnehmen, sie in Lager zu stecken und von der Lokalbevölkerung zu isolieren», schreiben die BesetzerInnen in einem Communiqué. Das fördere Vorurteile, schüre die Angst vor Terror und Überfremdung, erschwere den Austausch zwischen Geflüchteten und Lokalen. «In diesem unsolidarischen Klima haben wir beschlossen, uns zu organisieren – um den herrschenden Verhältnissen und der Ignoranz etwas entgegenzusetzen.» Inzwischen liess die Gesamtkirche Strom und Wasser abstellen, das Kollektiv soll das Gebäude bis am 24. Februar räumen. Dieses aber bleibt, baut weiterhin auf hierarchiefreie Selbstverwaltung und kritisiert zugleich das grosse Ganze: Kapitalismus, Grenzen, Pässe und Herrschaft. Manchmal geben die Klügeren eben nicht nach.