Umweltschützerinnen in Honduras: Ein Mord und viele Profiteure
Seit dem Militärputsch 2009 starben über hundert AktivistInnen einen gewaltsamen Tod. Die Fälle sind exemplarisch für das Vorgehen der honduranischen Oligarchie.
Es geschah in der ersten Stunde des 3. März, am Tag vor ihrem 43. Geburtstag. In La Esperanza im Westen von Honduras brachen zwei Männer die Haustür auf, stürmten hinein und ermordeten Berta Cáceres mit vier Schüssen. Gustavo Castro, ein Freund aus Mexiko, der gerade zu Besuch war, bekam zwei Schüsse ab und überlebte nur, weil er sich tot stellte. Obwohl nichts gestohlen wurde, schwadronierte die Polizei später von einem «Raubüberfall» und hielt auch «ein Verbrechen aus Leidenschaft» für möglich.
Kaum jemand in Honduras glaubt diese plumpen Ablenkungsmanöver. Denn Berta Cáceres war eine der prominentesten UmweltschützerInnen des Landes – und wer sich in dem zentralamerikanischen Land für die Umwelt einsetzt, lebt gefährlich. Allein in den Jahren 2010 bis 2015 wurden in dem Staat mit gerade acht Millionen EinwohnerInnen nach der Zählung von Global Witness 109 UmweltaktivistInnen ermordet. Weil die Menschenrechtsorganisation nur Fälle in die Statistik aufnimmt, die von mindestens drei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt werden, dürfte die tatsächliche Zahl noch höher liegen.
Die Lenca werden übergangen
Dreizehn Tage nach dem Mord an Cáceres wurde ihr Mitstreiter Nelson García unter ähnlichen Umständen erschossen. Die beiden UmweltschützerInnen gehörten zum Rat der Volks- und Indígena-Organisationen von Honduras (COPINH) und kämpften seit Jahren gegen das Projekt Agua Zarca, ein im Bau befindliches System von vier Staudämmen und Elektrizitätswerken am Río Gualcarque. Der fliesst mitten durch das Siedlungsgebiet des Volks der Lenca, zu dem auch die beiden Ermordeten gehörten. «Es ist ihr Lebensraum», sagt der Menschenrechtsanwalt Donald Hernández. Ein Teil davon soll überflutet werden.
Nach internationalem Recht hätten die Lenca vor einer Genehmigung des Projekts konsultiert werden müssen. Weil die Befragung ausblieb, versuchten sie, den Bau mit einer über einjährigen Blockade zu verhindern. Nachdem dabei 2013 einer der Blockierer von der Armee erschossen worden war, zogen sich die mit dem Bau beauftragte chinesische Firma Sinohydro und die Weltbank als Financiers zurück. Das honduranische Konsortium Desarrollos Energéticos (Desa) übernahm das Projekt, die holländische Entwicklungsbank finanziert es seither. Auch der deutsche Konzern Siemens und der schwäbische Turbinenbauer Voith waren mindestens bis zum Tod von Cáceres mit im Boot. Vergangenen Herbst wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen.
Seither wurde der Umgang mit den Lenca noch rabiater. Man brannte Hütten und Felder nieder, Berta Cáceres wurde mit Klagen überzogen, Todesdrohungen nahmen zu. Am 20. Februar wurden nach friedlichen Protesten gegen das Staudammprojekt über hundert Menschen verhaftet. «Die Armee hat eine Todesliste mit achtzehn Namen», hatte Cáceres einmal gesagt. «Mein Name steht an erster Stelle.» Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof verurteilte deshalb den honduranischen Staat dazu, die Umweltaktivistin zu beschützen. In der Nacht zum 3. März aber stand kein Polizist vor ihrem Haus.
Ein exemplarischer Mord
Ihr Tod ist exemplarisch für das Vorgehen der Oligarchie: Hinter dem Bauträger Desa steht der Rat der honduranischen Privatunternehmen. In dem wiederum sind die wichtigsten DrahtzieherInnen des Militärputschs versammelt, mit dem im Juni 2009 der linke Präsident Manuel Zelaya gestürzt worden war. Seither ist Honduras in einem Sumpf aus Korruption und Kriminalität versunken; die ProfiteurInnen der Gesetzlosigkeit sind die VerschwörerInnen von damals. Die auf Zelaya folgenden rechten Regierungen haben ihren Günstlingen 43 Konzessionen für Staudämme und Minen im Westen des Landes zugeschanzt – ohne vorherige Befragung der dort lebenden Indígenas. An der karibischen Küste in der Bucht von Tela kämpft etwa das Volk der Garífuna um sein kommunales Land. Dort hat die Regierung – ebenfalls ohne Konsultation – die Genehmigung für den Bau eines Hotelkomplexes erteilt. Wer über solche Machenschaften berichtet, lebt gefährlich: Seit dem Putsch wurden mindestens 25 JournalistInnen ermordet.
Präsident Zelaya wurde 2009 gestürzt, weil er plebiszitäre Elemente in der Verfassung verankern wollte und Nähe zum damals in Venezuela regierenden Linkspopulisten Hugo Chávez suchte. Als Vorwand für den Putsch diente die Behauptung, der Präsident strebe seine Wiederwahl an, obwohl die Verfassung das verbietet. Heute verfolgt der rechte Präsident Juan Orlando Hernández offen das Ziel, im November 2017 noch einmal gewählt zu werden. Ein Staatsstreich ist diesmal nicht zu befürchten.