Credit Suisse: Hohe Verluste im unterirdischen Bereich

Nr. 14 –

Nichts gelernt: Wieder einmal sitzt eine Schweizer Grossbank auf einem Berg von Ramschpapieren. Das Management der Credit Suisse hat sich im grossen Stil im Rohstoffbusiness verspekuliert. Die Folgen sind noch nicht absehbar.

Quicksilver Resources war eine dieser aufstrebenden Firmen mit Sitz in Texas, die in den letzten Jahren mittels Fracking Öl und Gas aus dem nordamerikanischen Boden gefördert haben. Das Geschäft lief nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 immer besser, weil die Öl- und Gaspreise auf Rekordhöhen stiegen.

Über 100 US-Dollar kostete in den letzten Jahren zeitweise ein Fass Öl, 4 Dollar eine nach britischem Mass gehandelte Einheit Gas. Quicksilver und andere Firmen machten ab 50 Dollar pro Fass Gewinne und konnten mit 2,50 Dollar für die Einheit Gas gut leben. Die im Vergleich zur Ölgewinnung im Nahen Osten hohen Produktionskosten liessen sich so wieder einspielen. Angesichts der hohen Preise kauften diese Firmen Stück um Stück mehr Bohrrechte auf, stellten mehr Personal ein und investierten in neue Bohrtürme und Maschinen. Das Geld für all diese Investitionen beschafften sie sich über Banken wie die Credit Suisse.

Preiseinbrüche bei Öl und Gas

Die Credit Suisse gibt sich seit Jahren besonders Mühe, Firmen wie Quicksilver an sich zu binden. Jährlich organisiert die Bank einen «Energiegipfel» in den Rocky Mountains, wo die ManagerInnen der Firmen nicht nur über ihre neuen Projekte und mögliche Finanzierungsmodelle sprechen können, sondern sich auch beim Skifahren austoben dürfen. Das Geschäft mit den Frackingfirmen versprach zwar immer risikoreich, dafür aber auch besonders lukrativ zu sein. Für Unternehmen wie Quicksilver brachte die Credit Suisse Obligationen auf den Markt, die jährlich zugesicherte Zinsen von zehn Prozent und mehr erwarten liessen. Wie viele dieser sogenannten High Yield Bonds die CS jeweils in den eigenen Schatullen zurückbehielt – um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen –, ist unklar. Klar ist jedoch, es sind viele.

Mitte 2014 brachen die Öl- und Gaspreise plötzlich massiv ein – und haben sich nicht wieder erholt. Ein Fass Öl kostet derzeit rund 38 Dollar, eine Einheit Gas 2 Dollar. In der Branche macht der Begriff «Oil Armageddon» die Runde – das Jüngste Gericht in Sachen Öl. Als Grund für den Preiseinbruch wird die Wirtschaftskrise in vielen Schwellenländern ins Feld geführt, ebenso das Verhalten von Saudi-Arabien, das mit einem Überangebot die Preise drückt, um so die neue Konkurrenz aus der Frackingindustrie zu zerschlagen. Ein weiterer Grund, der zumindest bei der künftigen Preisentwicklung eine Rolle spielt, dürfte die sogenannte Carbon Bubble sein. Angesichts des Klimawandels erlassen Staaten neue Gesetze gegen den CO2-Ausstoss, und fördern die Umstellung auf saubere Energiequellen. Das bedeutet: Die Nachfrage nach Öl, Gas und Kohle wird abnehmen, die bereits entdeckten Ressourcen dürften zu einem grossen Teil gar nicht mehr gefördert werden.

Offensichtlich hat man bei der Credit Suisse mit dieser Entwicklung überhaupt nicht gerechnet. Quicksilver Resources etwa musste am 17. März 2015 zum Konkursrichter und Gläubigerschutz beantragen. Die Firma sass auf einem Schuldenberg von 2,4 Milliarden US-Dollar. Inzwischen ist die Firma verkauft worden. Der Erlös betrug noch rund 320 Millionen US-Dollar, den die Gläubiger, darunter die CS, unter sich aufteilen durften – mehr als 2 Milliarden mussten sie abschreiben. Die High Yield Bonds entpuppten sich als das, als was sie in der Branche auch bezeichnet werden: als «junk bonds» oder Ramschpapiere.

Auf wie viel von diesem Ramsch die Credit Suisse derzeit sitzt, ist nicht klar. Fakt aber ist, der CS geht es nicht zuletzt wegen dieser Papiere so miserabel: 2,9 Milliarden Franken Verluste hat sie im vergangenen Jahr ausgewiesen, und Ende März musste CS-Chef Tidjane Thiam mit Blick auf das erste Quartal 2016 bereits wieder vor neuen Verlusten warnen. Die Bank hat nicht aus der Vergangenheit gelernt. Schon in der Finanzkrise von 2008 hatte die CS mit ihrer Investmentbank Risikopositionen aufgebaut, die sie nicht mehr loswurde – allerdings damals wesentlich weniger als ihre Konkurrentin UBS. Die CS konnte so, trotz eines ausgewiesenen Verlusts von 8,2 Milliarden Franken für das Jahr 2008, auf staatliche Hilfe verzichten. Doch während die UBS danach ihre Investmentbank verkleinerte, sah die CS unter der damaligen Führung von Brady Dougan die Chance gekommen, nun erst recht mit risikoreichen Papieren zu spekulieren. Das zeigt auch das Fiasko der CS in Indonesien, wo die Bank das inzwischen pleitegegangene Kohleunternehmen Bumi Resources mit Krediten versorgte (siehe WOZ Nr. 51/2015 ).

Die britische «Financial Times» schätzt die Verschuldung der Öl- und Gasindustrie auf gesamthaft drei Billionen US-Dollar und befürchtet «destabilisierende Auswirkungen». Seit Anfang 2015 mussten 52 US-Firmen aus dem Frackinggeschäft Insolvenz anmelden – darunter mehrere, bei denen die Credit Suisse eine führende Rolle in der Kreditfinanzierung gespielt hat. Mit weiteren Insolvenzen ist die Credit Suisse in Kanada konfrontiert, wo sie den Abbau des besonders umweltschädigenden Ölsands mitfinanziert.

Die Finanzmarktaufsicht schweigt

CS-Chef Tidjane Thiam hat bekannt gegeben, dass er die Aktivitäten der Investmentbank, bei der Papiere im Umfang von 380 Milliarden liegen, nun stark reduzieren will. Unklar bleibt, was für Papiere das genau sind und wie viele davon derzeit unverkäuflich sind. Vierzig Prozent aller Papiere auf dem 1,4 Billionen schweren Markt mit Ramschobligationen werden derzeit gar nicht gehandelt, weil KäuferInnen fehlen.

Die ganze Krise kommt für die CS zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Weil ihr Eigenkapital zu tief war, erhöhte sie Ende 2015 ihr Aktienkapital. Doch wer damals eine Aktie kaufte, muss herbe Verluste hinnehmen. Der Aktienkurs ist allein seit Anfang des Jahres um fast vierzig Prozent gesunken. Wohl um die AktionärInnen etwas zu beruhigen, plant der Verwaltungsrat nun – während 6000 Arbeitsstellen gestrichen werden –, stattliche Dividenden auszuzahlen. Was nichts anderes bedeutet, als dass erneut 1,6 Milliarden Franken an Kapital abfliessen. Ist die Credit Suisse eine Gefahr für die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes? Die Schweizer Finanzmarktaufsichtsbehörde will sich dazu nicht äussern.

Briefkästen in Panama

Jetzt ist die CS auch noch mitten in den Strudel der sogenannten Panama Papers geraten (vgl. «Der Datenzugang bleibt beschränkt» und «Tief im schwarzen Loch» ). Unter den Banken, die für ihre KundInnen bei Mossack Fonseca Briefkastenfirmen eingerichtet haben sollen, fungiert die CS an dritter Stelle: 918 Tarnfirmen soll die CS-Tochter Channel Islands über Mossack Fonseca aufgebaut haben. Inzwischen hat CS-Chef Tidjane Thiam alle Anschuldigungen zurückgewiesen und betont, dass die Bank nur mit Kunden zusammenarbeite, die sich an «relevante Steuerregelungen» hielten. Doch weiss Thiam überhaupt, was in seiner Bank genau vor sich geht? 2,8 Milliarden US-Dollar Busse musste die CS 2014 den USA zahlen, weil sie US-BürgerInnen bei Steuerbetrug geholfen hatte – nicht zuletzt mit ebensolchen Briefkastenfirmen.