Häuserkampf in Berlin: Wenn die Polizei als Besatzungsmacht auftritt
Liest man in diesen Tagen Zeitungsberichte aus Berlin, könnte man meinen, die Stadt werde von schwersten Unruhen erschüttert. Der Konflikt um das 1990 besetzte Haus in der Rigaer Strasse 94 im Bezirk Friedrichshain hat es bis in die «New York Times» geschafft. In der bürgerlichen FAZ wird derweil wieder einmal der «linke Terror» beschworen.
Vor Ort erscheint allerdings vieles in einem anderen Licht. Die Demonstration am vergangenen Samstag mit 3000 TeilnehmerInnen zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass fast ebenso viele PolizistInnen im Einsatz waren. Zwar kam es auch kurz zu Strassenschlachten, aber insgesamt hatten die Auseinandersetzungen längst nicht die Ausmasse, die das Medienecho vermuten lässt.
Der Konflikt um die R94 schwelt seit Jahren. Die Polizei hat das Haus immer wieder gestürmt, Ende 2015 wurde der ganze Strassenzug zum «kriminalitätsbelasteten Ort» erklärt, um verdachtsunabhängige Personenkontrollen vornehmen zu können. Als im Januar ein Streifenpolizist fünfzig Meter vom Haus entfernt mit Passanten aneinandergeriet, folgte zudem eine «Hausbegehung» (ohne Durchsuchungsbefehl) mit 550 Beamten und Sondereinsatzkommandos. Sichergestellt wurden dabei: Heizkohle und Eisenstangen. Der Abgeordnete der Piratenpartei Christoph Lauer spottete: «Der Besitz einer Schrottsammlung ist jedenfalls nicht strafbar.»
Endgültig eskaliert ist die Situation Mitte Juni, als das Kneipenprojekt «Kaderschmiede» im Erdgeschoss der R94 geräumt wurde. Seitdem ist die Strasse von der Polizei abgeriegelt, AnwohnerInnen müssen sich ausweisen, unangemeldete Besuche sind nicht mehr möglich.
Eigentlich liegt es auf der Hand, worum es bei der Eskalation geht. Der CDU-Innensenator will kurz vor den Abgeordnetenwahlen im September ein Thema setzen. In Umfragen liegt die mitregierende CDU nur noch bei neunzehn Prozent, die rechtsextreme AfD zwischen acht und vierzehn Prozent. Für die politische Rechte in der Stadt ist das wohl zu wenig: Während die soziale Verelendung und die Vertreibung von MieterInnen durch Immobilienspekulation eine immer bedrückendere Stimmung erzeugen, lenkt die Rechte die Aufmerksamkeit auf die «innere Sicherheit». Das ist durchsichtig, aber letztlich doch leider fast immer erfolgreich.