Präsidialstreit im Kongo: Der spaltende Dialog
Der kongolesische Präsident Joseph Kabila soll seinen Posten räumen, so will es die Verfassung. Stattdessen entzweit er die Opposition und lässt auf DemonstrantInnen schiessen.
Die politische Krise in der Demokratischen Republik Kongo spitzt sich zu. Nachdem in den vergangenen Wochen und Monaten bereits Demonstrationen gegen die Regierung eskaliert waren, droht das zentralafrikanische Land nun erneut im Chaos zu versinken. Bei Demonstrationen in Beni und Butembo, zwei Städten mitten im Kriegsgebiet im Osten des Landes, schoss die Polizei mit scharfer Munition und tötete einen Teilnehmer; ein Polizist wurde daraufhin fast gelyncht.
Die Kundgebungen richteten sich gegen eine Serie von Massakern, die seit zwei Jahren die Bergregion um das Ruhenzori-Massiv heimsucht. Über 500 Menschen wurden bereits ermordet, meist mit Macheten. Angeblich sollen dafür die ugandischen Rebellen der ADF-Miliz (Vereinte Demokratische Kräfte) verantwortlich sein, die in der Region mit dem Holzhandel Geld verdienen. Die Regierung nennt die muslimischen Rebellen «Terroristen» und gibt ihnen die Schuld an den Massentötungen. Hinweise sprechen aber dafür, dass Teile der kongolesischen Armee involviert sind.
Tricks für den Machterhalt
Anlass zu den Spannungen in dem seit zwanzig Jahren von Krieg gebeutelten Land gibt eine Verfassungskrise. Laut Verfassung sollte der amtierende Präsident Joseph Kabila, der seit 2001 an der Macht ist, nach zwei Amtszeiten abtreten. Die Wahl eines Nachfolgers war ursprünglich auf November angesetzt. Nun hat die Wahlkommission jedoch erklärt, sie müsse die Wahlregister aktualisieren, was mindestens ein Jahr dauern werde. Das Verfassungsgericht hat zudem entschieden, dass Kabila bis dahin im Amt bleiben darf. Die Opposition wirft ihm vor, sich mit solchen Tricks an die Macht klammern zu wollen.
Kabila hat sich zum Ziel gesetzt, die Opposition zu spalten, der die meisten der 278 offiziell registrierten Parteien im Kongo angehören. Dazu hat er einen genialen Schritt unternommen: Er hat das Gespräch gesucht. Zu einem «nationalen Dialog», der das Land befrieden soll, hat er Oppositionsparteien und zivilgesellschaftliche Gruppen zu einem feierlichen Treffen in Kinshasa eingeladen. Wie die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC), in der Kongo Mitglied ist, unterstützt auch die lokale Uno-Mission die Initiative: «Demokratie bleibt der einzige Weg aus dieser Sackgasse», mahnte Maman Sidikou, der Uno-Chef im Kongo. Nur so könne die Gewalt gestoppt werden.
Doch in der Opposition ist die Initiative höchst umstritten. Nachdem ihre Mitglieder noch zu Beginn des Jahrs gemeinsam Generalstreiks organisiert hatten, hat der Schachzug des Präsidenten sie zutiefst gespalten. Kürzlich gingen in der Hauptstadt Kinshasa AnhängerInnen verschiedener Oppositionsparteien aufeinander los. Weil sie an den Gesprächen teilgenommen hatten, wurden Vital Kamerhe, Spitzenkandidat der Partei UNC (Union für die Kongolesische Nation), eine der stärksten Oppositionsparteien, sowie Exsenatspräsident Léon Kengo aus ihren eigenen Parteien ausgeschlossen. Ein Gegner der Gespräche ist auch Moise Katumbi, ein wohlhabender Geschäftsmann und Kabilas mächtigster Herausforderer im Rennen um die Präsidentschaft und Spitzenkandidat des Oppositionsbündnisses G7 (siehe WOZ Nr. 21/2016 ). Den Dialog bezeichnete er als Taktik, um eine illegitime Übergangsregierung einzurichten, die den totalitären Ambitionen des Präsidenten dient. Katumbi befindet sich nach wie vor im Exil, nachdem er nach einem Tränengasangriff zur medizinischen Behandlung im Ausland war. Ein Gericht hat ihn in Abwesenheit zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er illegal ein Grundstück verkauft haben soll. Das Urteil macht für den Politiker eine Rückkehr in den Kongo praktisch unmöglich.
Ingredienzen für einen Bürgerkrieg
Ende August hat Kabila ausserdem eine Reihe von politischen Gefangenen aus dem Gefängnis entlassen – allen voran die Führung der Jugendbewegung Lucha (Veränderung). Mit der Freilassung wollte Kabila der populären Jugendbewegung den Wind aus den Segeln nehmen. 2015 hatte die Bewegung landesweit gegen Kabilas dritte Amtszeit protestiert. Damals starben 42 Jugendliche im Kugelhagel der Polizei.
Um sich gegen die Massenproteste zu wappnen, hat Kabila die Armee 2014 so reformiert, dass die Hauptstadt Kinshasa, wo die meisten Proteste stattfinden, während der Wahlen von seinen loyalen Generälen verteidigt wird.
Trotz der stabileren Armee wird Kabila jetzt die Wirtschaftskrise gefährlich. Sie treibt die Lebensmittelpreise in die Höhe. Aufgrund der sinkenden Kupferpreise auf dem Weltmarkt gingen die Steuereinnahmen aus dem Kupferexport, Kongos wichtigster Einnahmequelle, drastisch zurück. Weil die Staatskasse leer ist, kann die Regierung die Soldaten und BeamtInnen nicht mehr bezahlen. Das erhöht das Risiko, dass Teile der ohnehin schon maroden Armee rebellieren und das Land erneut in einen Bürgerkrieg stürzen.