Sachbuch: Der Klick ersetzt die Dienerklingel

Nr. 45 –

Der professionell geführte Haushalt wird wieder zum Statussymbol: In seinem Buch «Die Rückkehr der Diener» durchleuchtet Christoph Bartmann mit ansteckendem Ekel den neuen Feudalismus.

1969 beklagt sich Theodor W. Adorno in einem Radiovortrag darüber, dass immer mehr Menschen sich dazu veranlasst sähen, «subalterne Tätigkeiten» auszuüben, die früher von Hausangestellten übernommen worden seien. Nur noch Wohlhabende könnten sich Dienstmädchen halten, Angebot und Nachfrage seien vollkommen ausser Takt geraten. Nun musste man also abwaschen, während man doch eigentlich marxistische Theorie hätte lesen wollen.

Der Unmut des linken Theoretikers war begründet: Das Angebot an bezahlten Kräften, die im Haus mitarbeiteten, befand sich Ende der sechziger Jahre auf einem Tiefpunkt. Die Beschäftigung von Köchen, Dienstmädchen und Boten war in Europa und den USA seit dem Ersten Weltkrieg stetig zurückgegangen. Die bürgerliche Welt, in der man Herrschaft auch in den eigenen vier Wänden geniessen konnte, zerbröselte langsam. Gleichzeitig fällt in jene Phase auch die Idealisierung der Hausfrauenexistenz. In der Hochkonjunktur waren besser bezahlte Jobs verfügbar – Hausangestellte waren knapp. Also wurde die Frau auch in gut situierten Haushalten in die Pflicht genommen.

Doch bezahlte Hausarbeit ist in der westlichen Welt wieder im Kommen. Christoph Bartmann, der sich in seinem letzten Buch den Angestellten und der Geschichte des Büros widmete, hat über das Comeback der Diener und Dienerinnen im Heim einen interessanten Essay geschrieben. Die dienerlose Phase, die unsere Gesellschaft durchlaufen hat, sieht er als einen historischen Zwischenakt, der dank einer internationalen Sozialdemokratisierung in der Nachkriegszeit möglich gewesen war. Bereits durch die neokonservative Wende der achtziger Jahre wurde ein professionell geführter Haushalt wieder zu einem Statussymbol, ab den Neunzigern wurde es wieder en vogue, sich bedienen zu lassen. Billige migrantische Arbeitskräfte machten es wieder möglich, die eigene Zeit für wertvoller zu halten als die anderer. Der ansteigende häusliche Personalbedarf sei, so Bartmann, «ein verlässlicher Indikator der wieder zunehmenden sozialen und ökonomischen Ungleichheit». Wir leben, schreibt er, in «post-egalitären» Verhältnissen, eine «Lust an asymmetrischen Verhältnissen» mache sich wieder breit.

Feudal in Manhattan

Zugegeben, Bartmanns ansteckender Ekel über die neuen feudalen Verhältnisse ist geprägt von einem Inselaufenthalt: Ab 2011 waltete er fünf Jahre lang als Direktor des Goethe-Instituts in New York. In Manhattan brauche eine Familie, so sagt man, ein Jahreseinkommen von 250 000 Dollar, um einigermassen standesgemäss über die Runden zu kommen – die Hälfte der US-ArbeiterInnen verdient weniger als 30 000 Dollar im Jahr. Über seine eigenen Einkünfte macht Bartmann im Buch keine Angaben, doch er erzählt aus einer Insiderperspektive von seinen Erfahrungen als Teil des «happy bunch», der sich leisten kann, in Manhattan zu leben.

Dort delegiert eine gestresste obere Mittelschicht – Ärzte, Hochschullehrerinnen, Maklerinnen, Journalisten – ihre Haushaltsarbeiten über Onlineplattformen wie «Seamless». Die neuen DienerInnen arbeiten unter dem Mindestlohn und ohne rechtliche Absicherungen und sind nicht selten illegal beschäftigt. Ihre Dienste sind per App rund um die Uhr abrufbar, bezahlt wird die Firma, die für die digitale Vermittlung fünfzehn Prozent einstreicht. Auch in Europa lassen wir uns online bestelltes Essen und Waren nach Hause liefern, beschäftigen Putzpersonal, Möbelpacker, Hundesitter und besorgen uns Nannys. Die Vorstellung, mit den von uns Beschäftigten im eigenen Haus zu leben, erscheint uns zwar absurd – faktisch stehen sie uns aber immer zur Verfügung. Bloss dass der Klick die Dienerklingel ersetzt hat.

Zeitgewinn auf der Beletage

Bartmanns Buch ist in «Bedienstetenetage» und «Beletage» unterteilt, pendelt also zwischen der Beschreibung der Beschäftigten und ihrer AuftraggeberInnen – und gerade in dieser essayistischen Abschweifung liegt seine Stärke. «Die Rückkehr der Diener» ist einerseits ein Plädoyer gegen die Bedenkenlosigkeit, mit der Dienstleistungen des Prekariats bestellt werden, während jede Tomate dreimal gewendet wird, um das Biozertifikat zu finden. Andererseits beschreibt es in fast amüsanter Larmoyanz die Problemchen des neuen Dienstherrentums, dessen erkaufte Freizeit nur wenig gefühlten Mehrgewinn bringt, sondern nur etwas Zeit für Prokrastination und Alltagsadministration oder aber: noch mehr Zeit zum Arbeiten. Eine Zukunft, «in der für beide Seiten weniger öde Arbeit anfiele», kann Bartmann noch nicht erkennen. Wir bilden uns zwar ein, unsere Zeit sei kostbarer als die anderer Leute, doch zeigt sich diese Kostbarkeit nur auf dem Lohnausweis.

Mit den feudalen Verhältnissen in «Downton Abbey» hat das alles nur noch die Ungleichheit gemein: Denn man fühlt sich etwas unwohl beim Gedanken, fremde Leute im Haushalt zu haben – delegiert aber trotzdem. Nicht mehr aus Standesdünkel, sondern aus Effizienzstreben, als «managerial» Outsourcing des eigenen Lebens.

Christoph Bartmann: Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal. Hanser Verlag. München 2016. 288 Seiten. 32 Franken