Fussball und andere Randsportarten: Ted Bundy und ein Pony
Etrit Hasler fragt sich, wo die Proteste im US-Sport geblieben sind
Seit dem neusten US-Schreckenstag, der wie wunderbar zufällig schon wieder auf die Formel 9/11 reduzierbar ist, scheint ein Grossteil der Welt in Schockstarre verfallen zu sein. Die Reaktionen kommen entweder herablassend daher à la «Wie dumm muss dieses Volk sein, um ausgerechnet den zu wählen?», meist mit ganz vielen Grossbuchstaben und Ausrufezeichen verfasst und immer die Frage offen lassend, von welchem «Volk» denn hier die Rede sein soll. Sind da jetzt ganz getreu Donald Trumps Rhetorik nur die weissen Amerikaner gemeint oder alle? Und natürlich gibt es alternativ dazu noch die Schreckensszenarien – selbst die SP Schweiz teilte den (übrigens grossartigen) K.I.Z.-Song «Hurra, die Welt geht unter» in einem Versuch, sich mit ein bisschen Street Credibility zu versehen.
Und natürlich – in den USA selbst gehen seit Mittwoch Tausende meist junger Menschen auf die Strasse, mit den Konsequenzen, die in einer solch aufgeladenen Stimmung absehbar waren – dort, wo die Proteste zu Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften führen, werden sie als «undemokratisch» disqualifiziert, dort, wo sie es nicht tun, werden sie ignoriert.
Noch viel weniger hört man derzeit aus der Welt des US-Sports, was in diesem Jahr etwas überraschend sein mag. Die traditionell eher unpolitische Domäne war in letzter Zeit von Protesten geprägt. Da war einerseits die Weigerung des San-Francisco-Quarterbacks Colin Kaepernick, sich für die US-Hymne zu erheben, aus Solidarität mit der «Black Lives Matter»-Kampagne, der sich schnell Dutzende von Spielern in der Liga anschlossen. Eine Kampagne, die ihrerseits mit der Schreckensnachricht im «Forbes Magazine» kommentiert wurde, dass konservative Fans (lies: dieselben weissen Mittelstandsmänner, die angeblich im Alleingang daran schuld waren, dass Trump gewählt wurde) ihrerseits die Football-Liga NFL boykottierten, was zu Zuschauereinbussen von bis zu einem Drittel führte. Und auch Trump selber wurde in seinem Wahlkampf von US-AthletInnen durchaus offen kritisiert. Als er sein widerwärtiges «Grab them by the pussy»-Zitat als «Locker Room Talk», also Umkleidekabinenjargon, schönredete, widersprachen ihm Dutzende Athleten aus fast allen Sportarten und Gegenden des Landes. Wrestlingstar CM Punk konterte beinahe am schönsten: Es handle sich dabei wohl eher um ein Zitat des Serienvergewaltigers Ted Bundy.
Doch seit den Wahlen sind diese Stimmen stiller geworden, nicht zuletzt, weil nun auch die Trump-Fans aus ihren Löchern kommen. Baseball-Meistertitelgewinner Jake Arrieta zum Beispiel, der Hollywood riet, «sich auf die Ponys zu schwingen und in Richtung Grenze zu reiten». Oder der Golfer «Long John» Daly, der seinem «grossen Freund» dafür dankte, dass «Amerikaner wieder zuerst kommen». Aus dem Protestlager kamen eher verhaltene Stimmen und beinahe magistrale Aufforderungen, mit den GegnerInnen zusammenzuarbeiten, wie von Exlinebacker Brendon Ayanbadejo (der während seiner Karriere eine Kontroverse ausgelöst hatte, als er gegen Schwulendiskriminierung protestiert hatte), der twitterte: «Don’t move out of the country. Move to improve your country!» (Verlasst nicht das Land! Bemüht euch, euer Land besser zu machen!) Oder Gisele Bündchen, die ihrem Ehemann und Trump-Wähler Tom Brady mitteilte, es sei zum Wohl der Familie besser, wenn er nicht mehr über Politik spreche.
Vielleicht muss man das verstehen. Seit der Präsidentschaft George W. Bushs sind die US-Sportarten zu einer Plattform für Fahnenschwingerpatriotismus und die Streitkräfte geworden – kein Spiel ohne Hymne, keine Meisterschaft, ohne dass ein paar Kampfflugzeuge über das Stadion fliegen und rot-weiss-blauen Rauch ablassen. Da liegt ein bisschen Protest gegen Polizeigewalt gerade noch drin – sich gegen einen (leider demokratisch) gewählten Präsidenten offen auszusprechen eher nicht.
Etrit Hasler geht nicht davon aus, dass die Rückkehr von Tranquillo Barnetta aus den USA nach St. Gallen etwas mit Trump zu tun hat. Aber er will ihn das bei Gelegenheit mal selber fragen.