Atomausstieg und Klimaschutz: Die Reichen drücken sich

Nr. 48 –

Atomausstieg bringt Dreckstrom! Gut möglich, dass sich die fünf Prozent, die für ein Ja am letzten Sonntag fehlten, von Doris Leuthards Drohung einschüchtern liessen. Der Klimaschutz ist ein praktisches Allzweckargument der Bürgerlichen geworden: Damit lässt sich Atomkraft schönreden und der Landschaftsschutz angreifen – wenn die Energiewende dann gar nicht kommt, kann man ja anderes in die Schutzgebiete bauen als Windräder und Solarzellen. Wie wenig ernst es der Bundesrat mit dem Klimaschutz meint, zeigt das neue CO2-Gesetz, das er vorschlägt. Die Vernehmlassung ist erst diese Woche abgelaufen, doch das Gesetz wirkt jetzt schon uralt – als hätte der Klimagipfel von Paris, der vor fast einem Jahr zu Ende ging, noch gar nicht stattgefunden.

In Paris wurde beschlossen, dass es weniger als zwei Grad wärmer werden darf. Dafür müssen die CO2-Emissionen bis 2050 netto auf null sinken. Diese Verpflichtung kommt im CO2-Gesetz nicht vor, obwohl sich auch die Schweiz dazu bereit erklärt hat. Genauso wenig erläutert der Bundesrat, wie die Schweiz – wie in Paris beschlossen – in Zukunft ärmere Länder bei der Bewältigung der Klimafolgen unterstützt.

Im Ausland investieren will der Bundesrat zwar schon – aber nur, damit man zu Hause weniger tun muss. Bis 2030 sollen die Emissionen in der Schweiz (verglichen mit 1990) um fünfzig Prozent sinken, aber bis zu vierzig Prozent der Reduktion möchte der Bundesrat mit «im Ausland durchgeführten Massnahmen» erreichen. Das ist zynisch (siehe WOZ Nr. 10/2015 ) und ungenügend. Zudem gibt es immer noch keine CO2-Abgabe auf Treibstoffe, und ausgerechnet der Flugverkehr, eines der grössten Klimaprobleme, wird bei den Emissionen gar nicht mitgerechnet.

Am diesjährigen Klimagipfel von Marrakesch hat das Climate Vulnerable Forum, ein Zusammenschluss der ärmsten und vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder, einen mutigen Beschluss gefasst: Seine Mitglieder wollen ihre Energieversorgung vollständig erneuerbar machen. Die Armen versuchen es, die Reichen drücken sich – wie peinlich für die Schweiz.