Korruption in Brasilien: Strafen drohen nur den Ermittelnden

Nr. 49 –

Es ist hinlänglich bekannt, dass die Mehrheit der Mitglieder der brasilianischen Abgeordnetenkammer – freundlich formuliert – schamlos ist. Vergangene Woche lieferten die ParlamentarierInnen dafür einen weiteren Beweis. Die Gelegenheit war günstig: Nachdem die Mannschaft des Fussballklubs Chapecoense bei einem Flugzeugabsturz in Kolumbien ums Leben gekommen war, herrschte drei Tage Staatstrauer. Das Volk war abgelenkt, und das Parlament machte sich über ein Gesetz her, mit dem eigentlich die Bekämpfung von Korruption erleichtert werden sollte. Nur haben fast zwei Drittel der Abgeordneten selbst Strafverfahren am Hals, viele wegen Korruption. Und so schrieben sie die Gesetzesvorlage in einer Marathonsitzung gründlich um.

Immerhin wurde das schlimmste Ansinnen, das in dieser Debatte zur Sprache kam, dann doch nicht Gesetz: eine Amnestie für alle AmtsträgerInnen. Faktisch aber kommt das neue «Antikorruptionsgesetz» der gewünschten Straflosigkeit doch sehr nahe. Die Regelungen machen es nämlich so gut wie unmöglich, Abgeordnete wegen Korruption ins Gefängnis zu bringen. Ähnlich schwierig wird es, unrechtmässig angeeigneten Besitz zu beschlagnahmen. Und vor allem: Das Parlament schrieb einen Passus in das neue Gesetz, nach dem Staatsanwälte und Untersuchungsrichterinnen strafrechtlich belangt werden können, wenn sie «unbesonnen» oder «aus persönlichen Motiven» gegen AmtsträgerInnen vorgehen. Anders gesagt: Wer gegen Abgeordnete ermittelt, kriegt sie zwar nie und nimmer hinter Gitter, steht aber selbst mit einem Bein im Gefängnis.

Zwar muss der Senat das Gesetz noch bestätigen; der aber ist ähnlich schamlos wie die Abgeordnetenkammer: Senatspräsident Renan Calheiros wurde am Montag vom Obersten Gerichtshof wegen Korruption des Amtes enthoben, weigert sich aber, dem nachzukommen. Die Kommission der Staatsanwaltschaft, die sich um den drei Milliarden schweren Schmiergeldskandal beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras kümmert, liess schon verlauten, sie erwäge, die Arbeit einzustellen.

Vermutlich war dies auch der Zweck der Übung. Schon Präsidentin Dilma Rousseff war Ende August nicht etwa, wie vorgetäuscht, wegen der Schönung des Haushalts amtsenthoben worden. Aus mitgeschnittenen Telefonaten der Verschwörer weiss man, dass es um Straffreiheit für Korrupte ging. Die wäre mit Rousseff nie zu haben gewesen. Michel Temer aber, der durch jenen kalten Putsch ins höchste Staatsamt kam, wird dieses «Antikorruptionsgesetz» gern unterschreiben. Er hat selbst ein paar Verfahren am Hals.