Das Ende: «Hier trifft man Leute, redet über Film»

Nr. 7 –

Auch eine bestens assortierte Videothek mit filmischen Leckerbissen und Geheimtipps ist nicht länger überlebensfähig. So das Fazit von Liliane Forster, der Gründerin und Besitzerin des Zürcher «Filmriss».

WOZ: Liliane Forster, in der Deutschschweiz lassen sich Videotheken mittlerweile an einer Hand abzählen, jetzt schliessen auch noch Sie im Juni Ihren Laden. Dabei ist der «Filmriss» nicht irgendeine Videothek – unter anderem ruht er fest in Frauenhand. Ich mag mich nicht erinnern, je einen Mann hinter der Theke gesehen zu haben. Das dürfte historisch ziemlich einzigartig sein.
Liliane Forster: Nun, ursprünglich gabs mal zwei Männer, die für mich arbeiteten. Doch jedes Mal, wenn es ums Putzen ging, fanden sie, wir hätten ja genug Frauen. Als die beiden – freiwillig – gingen, habe ich sie durch Frauen ersetzt.

Ich bin immer gut gefahren mit Frauen. Suchte ich neues Personal, habe ich stets explizit eine Mitarbeiterin gesucht. Wir sind auch aktuell ein super Frauenteam! Aber wenn Sie mal einen Mann hinter der Theke sehen wollen: Einmal pro Monat haben wir abends Teamsitzung, und dann kommen mein Partner und ein ehemaliger Angestellter und helfen für eine Stunde aus.

Videotheken sind ja schon ziemliche Männerbastionen. Wie kamen Sie als Frau dazu, sich mitten in diesem Habitat zu positionieren – und das mit Erfolg?
Bevor ich den «Filmriss» gründete, war ich bereits Verkaufsleiterin einer Firma, die Software für Videotheken entwickelte. Irgendwann fragte mich ein Kunde von uns, ob ich Lust hätte, nicht nur die Filiale am Goldbrunnenplatz in Zürich zu übernehmen, sondern gleich als Geschäftsführerin für alle Videotheken von «City Video» einzusteigen. «Spinnst du, nach Zürich?», war meine erste Reaktion. Ich habe dann aber zugesagt, im Herbst 1997 die Filiale am Goldbrunnenplatz übernommen und weitere Standorte in Zürich eröffnet.

Da waren Sie ja dick im Videobusiness!
Schon, aber mit der Filmauswahl beim «City Video» konnte ich mich nie anfreunden. Deshalb kündigte ich im Frühling 1999, nahm meinen ganzen Mut zusammen und machte mich auf die Suche nach einem kleinen Lokal zwischen dem «City Video» am Goldbrunnenplatz und «Joe’s Video» an der Schmiede Wiedikon. Denn ich wollte selber über mein Filmangebot entscheiden, ein Sortiment an Klassikern aufbauen, angefangen bei den frühen Stummfilmen. Auch Independent-Filme waren mir wichtig. Das waren meine Standbeine. Und auf viele Filme stiess ich überhaupt erst, weil mich Kunden auf sie aufmerksam machten.

Mittlerweile haben Sie Filme im Angebot, die man sonst nirgendwo mehr findet.
O ja, und davon eine ganze Menge: Sehr viele Klassiker, Stummfilme, Dokumentarfilme, ja selbst neue Filme sind oft nach kurzer Zeit nicht mehr auf DVD erhältlich. So wie ich das beurteilen kann, ist die DVD ein aussterbendes Medium. Die Warner Brothers etwa, die zu den sechs grössten Filmunternehmen der USA gehören, bringen ihre neusten Produktionen oft nur noch kurze Zeit auf DVD raus, und vieles aus ihrer Klassikserie ist vergriffen.

Sie verkaufen bereits jetzt einen Grossteil Ihres Sortiments. Wäre es nicht sinnvoll, gerade Raritäten und Vergriffenes in ein öffentliches Archiv oder eine Bibliothek zu geben, damit sie weiter zugänglich sind?
Das wäre schön! Tatsächlich diskutierten wir mit dem Verein «Zürich für den Film» die Möglichkeit, unsere Sammlung einer Bibliothek zu vermachen. Lange haben wir auch nach Geldgebern gesucht, die uns unterstützen würden. Sogar bei der Stadtpräsidentin sind wir im Herbst 2016 anlässlich eines Filmförderabends vorstellig geworden. Alles vergeblich.

Gab es den entscheidenden Moment, an dem Sie sagten: «Jetzt ist Schluss»?
Die Entscheidung getroffen habe ich Mitte November 2016. Daran gedacht aber habe ich seit einem Jahr immer wieder. Fast täglich studierte ich daran herum, was ich noch versuchen könnte, um den Laden offen zu halten. Doch irgendwann musste ich einsehen, dass eine Videothek einfach nicht mehr gefragt ist.

Ihre Kundinnen und Kunden nahmen das also mit einem Schulterzucken hin?
Ganz im Gegenteil – ich habe bereits einen ganzen Ordner voller Trauermails. Manche boten mir Geld an, 5000, sogar 10 000 Franken. Andere schlugen vor, das ganze Sortiment ins Netz zu stellen und online zu vermieten.

Das ist doch ein guter Vorschlag!
Sie haben ja keine Ahnung, was das wegen der Filmrechte kosten würde! Und überhaupt bin ich grundsätzlich gegen einen Onlinebetrieb. Der «Filmriss» ist eine Begegnungsstätte: Hier trifft man Leute, redet über Film. Manche Kunden empfehlen andern Kunden Filme. Das macht für mich die Essenz einer Videothek aus. Das wollte ich unbedingt behalten.