Spanien: Viel Skandal, wenig Empörung

Nr. 11 –

Vor spanischen Gerichten bestätigen sich in diesen Tagen die Vorwürfe, die 2011 die Massenproteste der 15M-Bewegung ausgelöst haben: Die beiden grossen Parteien haben sich über Jahrzehnte hinweg systematisch illegal finanziert. Im Februar wurde der Unternehmer Francisco Correa, der ein Netzwerk zur Vermittlung von «Gefälligkeiten» zwischen dem konservativen PP und Baufirmen im ganzen Land aufgebaut hatte, in einem ersten Teilverfahren zu dreizehn Jahren Haft verurteilt. Mit ihm müssen auch hochrangige RegionalpolitikerInnen des regierenden PP ins Gefängnis, darunter die ehemalige Tourismusministerin der Region Valencia. Und im Zusammenhang mit dem sogenannten Púnica-Prozess meldete die Tageszeitung «El País» vergangene Woche, der zuständige Ermittlungsrichter verfüge über Beweise, die den Madrider PP massiv belasten. Praktisch die gesamte Parteiführung der Konservativen habe von der illegalen Parteienfinanzierung gewusst.

Im Unterschied zu 2011 lösen diese Meldungen heute allerdings keine Empörung mehr aus. Da ist zum einen das Problem, dass auch der sozialdemokratische PSOE mit zahllosen Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist. Zum anderen hat sich die neue Linke um Podemos und die städtischen Initiativen, die als Alternative zu den traditionellen Parteien gegründet wurden, in den letzten Monaten selbst demontiert. Pablo Iglesias und Íñigo Errejón, die beiden Vorsitzenden von Podemos, haben einen erbitterten Machtkampf um die Kontrolle der neuen Bewegung geführt. Zwar gibt es keine Korruptionsvorwürfe gegen Podemos, doch was das Ausmass der innerparteilichen Intrigen angeht, ist die «neue Politik» der alten überraschend ähnlich.

Zudem tut der von der Rechten kontrollierte Justizapparat alles, damit die Korruptionsprozesse gegen die regierenden Konservativen nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen. Zwar werden die Verfahren zu Ende geführt, aber sie verschwinden hinter anderen politischen Prozessen, die zeitgleich verhandelt werden.

Zurzeit etwa beherrschen die Verfahren gegen katalanische PolitikerInnen die Schlagzeilen. So wurde am Montag der ehemalige Ministerpräsident der Autonomieregierung Kataloniens, Artur Mas, für zwei Jahre von allen öffentlichen Ämtern suspendiert – weil er 2014 eine Bürgerbefragung über die Unabhängigkeit Kataloniens unterstützt hatte. Die Kampagne der spanischen Justiz gegen die katalanischen Parteien sorgt dafür, dass die Korruptionsskandale der spanischen Rechten nur wenig Beachtung finden.