Ursula Brunner (1925–2017): Fromm, hartnäckig – und unverfroren

Nr. 13 –

Mehr als einmal in ihrem Leben hat ein Ereignis Ursula Brunner komplett durchgeschüttelt. Geprägt hat sie der tragische frühe Tod eigener Kinder. Im Oktober 1973 waren es dann Leiterwagen voller Bananen, mit denen sie und ein paar Frauen in Frauenfeld herumzogen. «Haben Sie auch schon darüber nachgedacht, warum Bananen so billig sind?», fragten sie die PassantInnen.

Die Aktion löste eine Lawine aus. Die Migros-Direktion warf ihnen vor, Aggressionen gegen Multis zu schüren, «getränkt in falschem Mitleid» für BananenpflanzerInnen. Unzählige Gruppen weit über den Thurgau hinaus nahmen den Ball auf. Dabei ging es den Frauenfelder Bananenfrauen bald um nichts weniger als um eine Weltwirtschaft ohne Ausbeutung. Ursula reiste nach Zentralamerika, knüpfte Kontakte zu Arbeiterinnen und Gewerkschaftern, zu Bananenproduzenten und Regierungsbeamten, schliesslich zu Früchtehändlern und Grossverteilern in der Schweiz. 1986 begann die Gruppe mit dem Import von Nica-Bananen. Die Frauenfelderinnen waren «hartnäckig & unverfroren» – so der Titel einer Ausstellung zu vierzig Jahren Bananenfrauen, an der Ursula noch mitgearbeitet hat.

1982 fand in Frauenfeld eine grosse Wehrschau statt. Die Welt war für Ursula eine andere geworden; für die Pfarrfrau bestand jetzt ein Zusammenhang «zwischen den Waffen bei uns, die letztlich unseren Wohlstand und Besitz verteidigen müssen, und der Angst, der Bedrohung und der Besitzlosigkeit jener Menschen, denen ich in den Armenvierteln und Monokulturplantagen begegnet bin». Gewaltfreie Aktionen gegen die Wehrschau führten zu heftigen Reaktionen, an eine Fortsetzung ihrer Arbeit als FDP-Grossrätin war nicht zu denken.

Niederlagen, Verletzungen und Zweifel, auch an sich selbst, wusste sie in ihrem frommen Glauben aufgehoben, in einem Glauben an Gerechtigkeit, die sie als offenen Veränderungsprozess an der Seite der Unterdrückten verstand. Gegenüber jenen, die sich mit zertifizierten Max-Havelaar-Produkten zufriedengeben, blieb sie äusserst kritisch.

Am 23. März ist Ursula Brunner im Alter von 92 Jahren gestorben. Sie hat mit ihrem unerschütterlichen Kampf viele Menschen geprägt, begeistert, ab und zu auch irritiert. Ursula hat uns gelehrt, dass wir etwas tun können: einen Leiterwagen durch die Stadt ziehen, ein Kühlschiff chartern, von der Provinz aus die Welt verändern.

Matthias Hui ist Theologe und Redaktor der religiös-sozialistischen «Neuen Wege».

Abdankungsgottesdienst: Donnerstag, 30. März 2017, 16 Uhr, Stadtkirche Frauenfeld.