Bundesgericht: Rassismus aus der Parteizentrale
Das Bundesgericht hat entschieden, dass das SVP-Inserat «Kosovaren schlitzen Schweizer auf» aus dem Jahr 2011 die Strafnorm gegen Rassendiskriminierung erfüllt. Zum ersten Mal sind in der Schweiz die Verantwortlichen einer Partei, einer Regierungspartei notabene, wegen des Aufrufs zu Hass und Diskriminierung verurteilt worden. Der Entscheid ist von hoher Symbolik: Das Urteil rückt den Rassismus, der hierzulande meist bei Rechtsextremen verortet wird, in die Mitte der Gesellschaft.
Verurteilt wurden der damalige SVP-Generalsekretär Martin Baltisser sowie seine Stellvertreterin Silvia Bär. Parteipräsident Toni Brunner war durch die politische Immunität geschützt. Die SVP zeigte sich nach dem Urteil uneinsichtig und wertete es als «Schlag gegen die Meinungsäusserungsfreiheit». Gerade wenn man die Meinungsfreiheit aber hochhält, gibt es am Urteil sachlich nichts zu rütteln. Es ist niemandem benommen, die Gewalttat in Interlaken, auf die das Inserat anspielt, mit den gewählten Worten zu beschreiben. Wenn aber die Marketingverantwortlichen einer Partei mit diesem Ausspruch für eine Initiative werben, die eine Beschränkung der Einwanderung fordert, dann passiert genau das, was man heute als Rassismus bezeichnet: die pauschale Herabsetzung einer Bevölkerungsgruppe aufgrund kultureller Vorurteile.
Mindestens so verharmlosend wie die Stellungnahme der SVP waren die Reaktionen der Medien auf das Urteil. Es wurde in den meisten Kommentaren als parteiisch beschrieben. Drei RichterInnen von SP, Grünen und CVP hätten zwei der SVP überstimmt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Urteil war nirgends zu lesen. Weil sich die KommentatorInnen hätten entscheiden müssen, ob es in der Schweiz organisierten Rassismus gibt? Weil dann allenfalls nur noch die RichterInnen der SVP als parteiisch erschienen wären?
Das Bundesgericht hat sich als eigenständig erwiesen, indem es den Rassismus in der Schweiz nicht länger wegredet. Die Gerichte gehen hierzulande sehr zurückhaltend mit der Rassismusstrafnorm um. Sie tun dies im vollen Wissen, dass Rassismus nicht mit der Strafjustiz zum Verschwinden gebracht wird. Umso mehr sollte das Urteil gesellschaftlich gewürdigt werden.