Strategiespiele: Energiegeladene Kröten

Nr. 17 –

So oder so: BefürworterInnen wie GegnerInnen der Energiestrategie 2050 werden Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Sagen die Stimmberechtigten am 21. Mai Ja zur neuen Schweizer Energiestrategie, wird die Förderung von Ökostrom mittels kostendeckender Einspeisevergütung (KEV) temporär erhöht. Das freut die Links- und Mitteparteien sowie die Umwelt- und SolarlobbyistInnen, die die Vorlage befürworten. Und das ärgert neben der Referendumspartei SVP auch die vordergründig subventionsfeindliche FDP. Doch die KEV wird damit nicht nur ausgeweitet, sondern auch befristet. Diese Kröte servierte die Mitte-rechts-Mehrheit im Parlament den links-grünen BefürworterInnen. Zudem erweiterte das Parlament diese Ökostromsubvention auf die Wasserkraft. Das milderte die Freude im links-grünen und den Ärger im rechten Lager ebenfalls. Was zeigt: Weder ein Ja noch ein Nein macht BefürworterInnen und GegnerInnen der neuen Energiestrategie restlos glücklich oder unbeschränkt traurig.

Gespaltene Köpfe

Ähnlich verhält es sich beim Konflikt zwischen Energiegewinnung und Landschaftsschutz: Nach einem Ja zur Energiestrategie wird die Produktion von Strom aus erneuerbarer Energie inklusive Wasserkraft zum «nationalen Interesse» aufgewertet und der Schutz von Landschaften von nationaler Bedeutung abgewertet. Diese Kröte quakt für die Nutzniesser von Wind- und Wasserkraft, stört aber die Natur- und LandschaftsschützerInnen. Bei einer Ablehnung der Vorlage hingegen werden Gewinne und Verluste umgekehrt verteilt. Darum schneiden sich die UrheberInnen des Referendums zum Teil ins eigene Fleisch.

Der Umstand, dass die umfangreiche Energievorlage sowohl Linken wie Rechten, Stromerzeugern aller Art, Naturschützerinnen, sozial Engagierten et cetera Kröten beschert, spaltet Parteien, Verbände und die Meinungen im eigenen Kopf. Am deutlichsten manifestiert sich diese Spaltung bei der FDP, wo die Ja-Parole nur geringfügig überwiegt, sowie bei den Wirtschaftsverbänden: Der Gewerbeverband stimmt zu, die Maschinen- und die Pharmaindustrie sagen Nein, und der Dachverband Economiesuisse enthält sich der Stimme. Von der Mehrheit abweichende Parolen gibt es zudem bei kantonalen Verbänden, Jungparteien oder NaturschützerInnen; hier klinkten sich ehemalige Umweltfunktionäre wie Philippe Roch oder Hans Weiss aus der Umweltallianz aus.

Bei einer Vorlage, die beiden Seiten Vor- und partielle Nachteile bringt, ist Spaltung eine angemessene Haltung. Darum fragt sich: Warum kämpft die SVP mit riesigem finanziellem Aufwand und dürftigem Sachverstand derart unerbittlich gegen die neue Energiestrategie? Und weshalb werben Linke, Grüne sowie die in der Umweltallianz vereinigten Verbände von der Schweizerischen Energie-Stiftung bis Pro Natura derart engagiert dafür?

Der naheliegende Grund: Vor- und Nachteile lassen sich auf beiden Seiten unterschiedlich gewichten. Bedeutender aber ist die strategische Überlegung: Bei der neuen Energiestrategie geht es um einen Richtungsentscheid. BefürworterInnen und GegnerInnen können damit weitere energiepolitische Vorlagen beeinflussen, die noch vor der Tür stehen. Ein Nein am 21. Mai schwächt zum Beispiel den Druck für zusätzliche Mittel gegen den Klimawandel, die mit der Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris nötig werden, oder es verstärkt den Druck zur Senkung der Wasserzinsen. Darum kämpfen Umweltallianz oder Bergkantone mit gutem Grund für ein Ja. Stimmt die Mehrheit aber der Vorlage zu, so bahnt sie einer späteren Verschärfung des CO2-Gesetzes den Weg. Aus dieser Perspektive lohnt sich der Kampf für die Öl- und Autolobby und der mit ihr eng verbandelten SVP gegen die Energiewende.

Später wieder ausspucken

Kommt dazu: Am 21. Mai stimmen wir über eine Gesetzesvorlage ab. Gesetze lassen sich jederzeit wieder ändern. Mit einem Volks-Ja im Rücken fällt es der Wasserkraft- und Solarlobby leichter, die Befristung der Quersubventionen für Ökostrom und Wasserkraft wieder hinauszuschieben. Bei einem Nein hingegen steigen die Chancen von FDP und SVP, die heute bestehende unbefristete KEV-Regelung mit einer separaten Gesetzesrevision ebenfalls zu befristen. Was zeigt: Manche Kröte, die heute geschluckt wird, lässt sich später wieder ausspucken.