Abstimmung Energiegesetz: Ein Ja, das verpflichtet
Plötzlich sind sich Linke nicht mehr sicher, ob sie zur Energiestrategie 2050 respektive zum Energiegesetz (EnG) Ja sagen sollen. Das ist gut so. Denn es zwingt zu einer Diskussion, die überfällig ist.
Das richtet sich insbesondere an jene Linken, die sich für Sozialpolitik, aber nicht für Energiepolitik interessieren, weil sie glauben, das sei etwas für FröschlischützerInnen, Ökofundis oder Solarfreaks. Sie irren, es hat viel mit Sozialpolitik zu tun. Aber dazu nachher.
Es gibt zwei gewichtige Gründe, am 21. Mai Ja zu stimmen: Der Bau von Atomkraftwerken wird verboten – und ebenso die Wiederaufbereitung von Uranbrennstoff.
Es ist noch keine zehn Jahre her, da waren im Mittelland drei neue Reaktoren geplant. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima und der liberalisierte Strommarkt haben die Pläne zunichtegemacht. Heute sind die grossen Energiekonzerne dankbar, dass sie nicht mit dem Bau der AKWs begonnen haben, es wären Milliardengräber geworden. Doch die Verhältnisse können sich schnell ändern. Deshalb ist es gut, dass es künftig gesetzlich verboten ist, neue AKWs zu bauen.
Beim zweiten Punkt muss man etwas ausholen: Der Begriff «Wiederaufbereitung» dürfte den wenigsten etwas sagen. Dabei wird aus abgebranntem Uranbrennstoff Plutonium gewonnen; die Nuklearbranche nennt es beschönigend «Recycling». Die entsprechenden Fabriken stehen in Frankreich und Britannien und verseuchen das Meer. Die Schweiz hat ihre Brennstäbe dorthin geschickt und einen Berg von Plutonium angehäuft. Eine lange Geschichte, über die die WOZ in den neunziger Jahren oft berichtet hat. Der ehemalige SP-Umweltminister Moritz Leuenberger wollte die Wiederaufbereitung schon 2001 verbieten, kam damit aber nicht durch. Das Verbot wird nun im EnG festgeschrieben – endlich.
Aus linker Sicht hat das Gesetz aber Mängel, weil es nach oben umverteilt: Wer ein Haus oder Grundstück besitzt, wird mehr davon profitieren. Daher ist es gut, dass die Vorlage noch rudimentär und die Subventionen zeitlich befristet sind.
Die entscheidenden Auseinandersetzungen zur Energiestrategie 2050 stehen mit dem sogenannten zweiten Massnahmenpaket, das erst angekündigt ist, noch bevor. Da wird es um viel mehr gehen. Dann erst wird sich weisen, ob die Energiewende ein gerechtes Jahrhundertprojekt wird.
In Deutschland sitzen Tausende von SozialhilfebezügerInnen – auch Familien mit Kindern – im Dunkeln, weil sie die Stromrechnung nicht bezahlt haben und deshalb vom Netz abgehängt wurden. Daran ist nicht einfach die Energiewende schuld. Aber in Kombination mit der Strommarktliberalisierung ergibt sich eine fatale ökonomische Situation, in der sich arme Leute den Strom nicht mehr leisten können. Es braucht stattdessen eine Energiewende, die alle mitnimmt. Dafür braucht es ein anderes Konzept als das heutige System: weg von der Förderung, hin zur Lenkung.
Der Kampf darum beginnt jetzt. Das muss die sozialpolitisch engagierte Linke endlich begreifen. Tut sie es nicht, wird es arg schieflaufen.
Konkret geht es um Folgendes: Heute wird die Bereitstellung von erneuerbaren Energien subventioniert, und zwar via Stromabgabe, die wie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wirkt – und das ist unsozial. Sozial und ökologisch wäre, möglichst schnell eine Lenkungsabgabe auf nichterneuerbare Energien durchzusetzen. Kohle- und AKW-Strom sowie Benzin oder Heizöl würden dadurch teurer. Das Geld, das dabei zusammenkommt, wirkt nicht wie eine Steuer, weil es – zum Beispiel via Krankenkassenprämien – an die Bevölkerung zurückverteilt wird. Wer nicht viel Geld hat, braucht zwangsläufig weniger Energie und wird deshalb mehr zurückerhalten, als er bezahlt hat. «Mit der Förderstrategie verlieren fast alle Haushalte, während mit Lenkung ein Drittel der Haushalte sogar bessergestellt wird», hat die ETH kürzlich in einer Nationalfonds-Studie festgestellt.
Das Lenkungssystem ist also gescheit und gerecht, hat aber kaum eine Lobby, im Gegensatz zum heute geltenden Subventionssystem.
Es ist wichtig, am 21. Mai Ja zu sagen. Dieses Ja verpflichtet aber auch, danach für ein Lenkungssystem zu kämpfen. Sonst verkommt die Energiewende zum Umverteilungsmonster.