In Love Your Mother: In Zürich heisst das Dadacore

Nr. 37 –

Foto: ILYM

Eine verwirrt wirkende Gestalt in einem weissen Ganzkörperanzug und mit Schnabelmaske torkelt durchs Niederdorf, rezitiert schreiend einen Text von einem Blatt Papier und wird dabei mit Wasserballons beworfen. «6.wuuae», der Song zum Video des 2016 erschienenen Albums «Dada for Your Mada», ist angriffig, hektisch und vertrackt. Dann bremst er ab und biegt ein in einen jazzigen Teil, wir sehen tanzende Stofffalten und viele Wörter: von «zahnfee» bis «strandbiene». Das ist der Dadacore der Zürcher Band In Love Your Mother.

Wurde hier wieder mal das geduldigste Wort der Kunstgeschichte missbraucht, um Wahllosigkeit ästhetisch zu legitimieren? Was das Dada-Jahr in Zürich ja gezeigt hat: Ohne seine historischen GegnerInnen kann der zersetzende Furor jener Kunstbewegung problemlos auch Nationalkultur sein. Dennoch machen In Love Your Mother den Dada mit Mathcore, einem in den neunziger Jahren aus Post-Hardcore, Free Jazz und Metal geborenen Genre, zu einem ästhetischen Prinzip. Im Kleinen ist diese rasiermesserscharf gespielte Musik nämlich geradezu besessen von strengen Formen – die über die Dauer eines Songs immer wieder dekonstruiert werden. Ein konstanter Auf- und Abbau. Und auf dem Beipackzettel wird unbedingt empfohlen: live konsumieren!

Ebrietas, Zürich, 2. Dezember 2017; Box, Davos, 9. Dezember 2017