Ausnahmezustand I: Im «falschen Bus» zum G20

Nr. 39 –

Schon unmittelbar nach dem G20-Gipfel in Hamburg stand für Olaf Scholz, den in der Hansestadt regierenden Bürgermeister, fest: Gewalt vonseiten der Polizei gegenüber DemonstrantInnen hat es nicht gegeben. Anderweitige Einschätzungen bezeichnete der SPD-Politiker als «Denunziation».

Schon damals waren die Auslassungen des Politikers fragwürdig: Im Internet kursierten zu diesem Zeitpunkt zahllose Videos, die Fälle von Polizeigewalt dokumentieren (auf der nach wie vor im Netz zu findenden Website g20-doku.org wurden diese später gesammelt). Abgesehen davon ist es in einem Rechtsstaat ohnehin nicht an der Exekutive, über etwaige Verfehlungen von Sicherheitskräften zu urteilen. Sondern Aufgabe der Rechtsprechung.

Nun hat erstmals ein Gericht das Vorgehen der Polizei bei einem Vorfall während des G20-Gipfels als rechtswidrig eingestuft. Das Urteil betrifft einen besonders empörenden Fall von Behördenwillkür. In den frühen Morgenstunden des 8. Juli – einen Tag nach den Ausschreitungen im Schanzenviertel – hatte sich ein Bus der Falken, einer der SPD nahestehenden sozialistischen Jugendorganisation, aus dem Ruhrgebiet auf den Weg nach Hamburg gemacht. Die mehr als vierzig überwiegend jungen InsassInnen, darunter GewerkschafterInnen und Mitglieder der Nachwuchsorganisation der in Hamburg regierenden Grünen, wollten an der Grossdemonstration am Gipfelsamstag teilnehmen.

Kurz vor dem Ziel wurde der Bus allerdings von der Polizei gestoppt, die gesamte Reisegruppe in Gewahrsam genommen und in die Gefangenensammelstelle in Hamburg-Harburg gebracht. Dort wurden die GipfelgegnerInnen stundenlang festgehalten, ohne dass ihnen mitgeteilt worden wäre, was man ihnen überhaupt vorwirft. Den jungen Leuten wurde verweigert, AnwältInnen zu kontaktieren; zudem mussten einige von ihnen entwürdigende Leibesvisitationen über sich ergehen lassen. Erst auf Intervention hoher Hamburger Regierungskreise kam die Gruppe am späten Abend wieder auf freien Fuss.

Die Hamburger Polizei räumte während des Verfahrens selbst die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens ein, weswegen das Gericht keine eigene Überprüfung des Falls vornahm. Der Polizeipräsident wie auch der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) hatten sich zuvor für das Vorgehen der Behörden entschuldigt: Man habe den falschen Bus erwischt.