Verkehrspolitik: Mehr Spass am Steuer
«Freie Fahrt für freie Bürger» – so lautete der Slogan der 1985 gegründeten Autopartei, die nach einem rasanten Aufstieg Anfang der neunziger Jahre in die Bedeutungslosigkeit gefallen ist. Die politische Hauptarbeit der Partei ist laut Website noch heute, «den ‹motorisierten Konsumenten›, also die Auto-, Motorrad- und LKW-Fahrer vor ‹Abzockerei› durch grün-linke Forderungen zu schützen» und «gegen die ‹Kriminalisierung› der Autofahrer durch zu rigorose Vorschriften und schikanös tiefe Tempolimiten zu kämpfen». Einige ehemalige Parteimitglieder sind längst zu erfolgreichen SVP-Parlamentariern konvertiert und setzen sich unermüdlich weiter für die Forderung nach «freier Fahrt für freie Bürger» ein. Mit Erfolg, wie gleich mehrere aktuelle Entscheide des Parlaments zeigen.
Am Montag stimmten Bundesrat und Ständerat der Entschärfung des sogenannten Raserartikels zu, der erst 2013 in Kraft getreten war. Laut dem Artikel muss, wer die Geschwindigkeitslimits massiv überschreitet, seinen Fahrausweis für zwei Jahre abgeben und wird zwingend zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt. Neu wird es nun möglich, auf «Fahrlässigkeit» zu plädieren, das heisst, die Strafe liegt im Ermessen des Gerichts. Am selben Tag beschloss der Ständerat auch, dass Autos mit Anhänger oder Wohnwagen auf der Autobahn statt wie bisher nur achtzig neu hundert Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Zudem hat sich das Parlament im September für den Ausschank von Alkohol an Autobahnraststätten ausgesprochen, der seit 1964 verboten war, sowie die Regeln bei den medizinischen Kontrollen für den Führerschein gelockert: Rentner müssen neu erst mit 75 statt schon mit 70 zur Ärztin.
«Mehr Spass, weniger Schikane und mildere Strafen für die motorisierten KonsumentInnen» lautet die Devise. Man sieht sie förmlich vor sich, die bald pensionierten ParlamentarierInnen, wie sie mit schlingerndem Wohnwagen bei Tempo hundert in die Ferien fahren, mit zittrigen Händen und schlechten Augen, und sich auf der Raststätte noch einen Wein gönnen. Geht es um «freie Fahrt für freie Bürger», ist die sonst so gerne heraufbeschworene Sicherheit sekundär.