Editorial: Die Kraft der Worte
Worte bewegen uns. Beim Lesen eines Romans leiden wir mit der Protagonistin, eine emotional gehaltene Rede reisst uns mit; wenn jemand mit uns schimpft, ärgert uns das, eine Liebeserklärung lässt uns errötet, beglückt oder – je nachdem, von wem sie kommt – peinlich berührt zurück. Die Reaktion auf Worte kann sehr unterschiedlich sein. Sicher ist aber: Sie lassen uns nicht kalt.
Doch wie lässt sich mit Worten Wirkung erzielen? Mit dieser Kernfrage der Rhetorik beschäftigt sich Sieglinde Geisel in einem Artikel in dieser Literaturbeilage. Stefan Howald analysiert, wie in der Politik versucht wird, mit Worten eine möglichst grosse Wirkung zu erzeugen. Warum alleine die Präsenz eines Gedichts an einem bestimmten Ort die Gemüter erhitzen kann, erklärt Raphael Urweider im Interview.
Der Berner Lyriker und Übersetzer liest an den Solothurner Literaturtagen, die vom 11. bis 13. Mai stattfinden, aus seinem neuen Lyrikband. Über siebzig AutorInnen treffen sich an dieser 40. Ausgabe, um mit ihren Worten auf das Publikum einzuwirken. Als 1978 die ersten Solothurner Literaturtage stattfanden, war auch Anna Felder dabei. Die mittlerweile achtzigjährige Autorin wird auch dieses Jahr anwesend sein – ein Porträt über sie finden Sie in dieser Beilage, sowie Besprechungen von Büchern weiterer in Solothurn anwesender AutorInnen.
Wie widerspiegeln sich die Emotionen, die Wörter und Sätze bei uns auslösen, im Gesicht? Diese Frage stand bei der Fotostrecke dieser Ausgabe im Zentrum. Der Autor Stephan Pörtner schrieb sechs Sätze für uns. Wir haben diese der Schauspielerin Sarah Sandeh vorgelesen, die zurzeit unter anderem am Theater Neumarkt in Zürich tätig ist. Was die Sätze bei ihr ausgelöst haben, sehen Sie in den sechs Fotos, die der Fotograf Florian Bachmann gemacht hat.