Besuch des iranischen Präsidenten: Nebensache Menschenrechte

Nr. 27 –

Die Schweiz will ihre wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Iran intensivieren. Folterungen und Hinrichtungen im Mullahstaat benennt Bundespräsident Alain Berset daher nicht.

Der iranische Präsident Hassan Rohani ist am Montag in die Schweiz gekommen – auf Einladung von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann, der 2016 im Iran war. Mit seinem Besuch in Europa wird Rohani versuchen, seine politische Karriere zu retten: Seit die US-Regierung das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt hat, steht er unter dem Druck der iranischen Konservativen. Und auch die wirtschaftlichen Beziehungen mit westeuropäischen Ländern stehen auf dem Spiel.

Und die Menschenrechte? Damit das Thema nicht ganz unter den Teppich gekehrt wird, gingen am Samstag in Zürich und am Montag in Bern gegen 200 in der Schweiz lebende IranerInnen auf die Strasse. Sie protestierten gegen das Mullahregime, forderten «Freiheit für alle politischen Gefangenen im Iran» – und von der Schweiz den Verzicht auf «Geschäfte mit den Mullahs».

Unhaltbare Todesurteile

Im Iran wurden 2017 über 500 Menschen hingerichtet, darunter auch Minderjährige. Der 22-jährige Ramin Hossein Panahi ist einer von zehn Iranern, die derzeit auf ihre Hinrichtung warten. Der kurdische Politiker wurde im Januar 2018 in einem Prozess, der gerade einmal eine Stunde dauerte, zum Tod verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein und sich gegen den Staat zu erheben. Laut Philip Luther von Amnesty International ist das Urteil unhaltbar – was sowohl die Prozessvorbereitung als auch die Beweisführung betrifft. Seinem Anwalt zufolge wurde Panahi eine medizinische Versorgung verwehrt, nachdem er in seiner Haft schwer misshandelt worden war. Zudem hätten ihm die Behörden den Zugang zur Anklageschrift verweigert. Wie wenig die Gewalten im Iran getrennt sind, zeigt auch ein Fall aus dem Jahr 2014: Reyhaneh Jabbari wurde damals hingerichtet, nachdem sie einen Geheimdienstler bei seinem Versuch, sie zu vergewaltigen, getötet hatte.

Die «Kampagne gegen die Todesstrafe im Iran» wurde bereits einen Monat vor dem Besuch des iranischen Präsidenten initiiert. Auch über soziale Medien: So etwa sind die Eltern von Ramin Hossein Panahi in einem Video auf Twitter zu sehen, wie sie einen Strang verbrennen und an die iranische Regierung appellieren, das Todesurteil für ihren Sohn zu annullieren. Vorläufig jedoch beschränkt sich die «Gnade» des Gerichts darauf, die Hinrichtung hinauszuzögern – zunächst für die Zeit des Ramadan, der aber bereits Mitte Juni zu Ende ging.

«Dialog von hoher Qualität»

«Wir wollen zeigen, wie die Menschenrechte im Iran mit Füssen getreten werden – und wie das Mullahregime die Todesstrafe als Unterdrückung gegen jegliche Opposition nutzt», sagt Othman Tazik, der einst aus politischen Gründen in die Schweiz flüchtete. Und: «Wir erwarten vom Bundesrat, dass er gegenüber Rohani die Menschenrechtsverletzungen zur Sprache bringt und ein klares Signal gibt.»

Doch sosehr Bundespräsident Alain Berset (SP) am Dienstag an der abschliessenden Medienkonferenz betonte, dass die Schweiz und der Iran einen «offenen Dialog von hoher Qualität» auch über die Menschenrechte geführt hätten: Die Folterungen und die Todesstrafe wollte er nicht beim Namen nennen. In den Vordergrund rückte Berset die Unterstützung für die Rettung des Atomabkommens. Ausdrücklich betonte er zudem den beidseitigen Willen, die Beziehungen in Wirtschaft, Wissenschaft, Tourismus und im Gesundheitsbereich zu intensivieren.

Rohani blieb, bevor er zu weiteren Gesprächen nach Wien flog, noch Zeit, um mit Berset über die Fussball-WM zu reden und der Schweiz vor dem Spiel gegen Schweden viel Glück zu wünschen. Worauf Berset seinem Kollegen per Twitter und auf Farsi für die «offenen und aufrichtigen Gespräche» dankte.