Auf allen Kanälen: Die Käseblätterunion
CH Media und Tamedia sparen, bauen ab, legen zusammen – und fordern fröhlich, dass ihr Einheitsangebot exklusiv höher subventioniert wird.
Der kalauernde Vergleich von Käse und Käseblättern verbietet sich ja eigentlich. Aber die andernorts so stolz und liberal gesinnten Zeitungsverleger rufen inzwischen so laut nach dem Staat, dass, auch angesichts der ständig abnehmenden Angebotsvielfalt, die Parallelen zur unseligen Schweizer Käseunion aus dem letzten Jahrhundert nicht zu übersehen sind.
Die Käseunion, ein mächtiger Ableger des Schweizer Milchverbands, hat im Namen der Erhaltung der Schweizer Milchwirtschaft bis in die neunziger Jahre Erstaunliches geleistet: den Absatz von ausschliesslich drei (!) Hartkäsesorten massiv gefördert – Emmentaler, Gruyère und Sbrinz. Alles andere war wurst.
Aus KonsumentInnensicht war das Beste am Käsekartell der gelbe Emmentalerdress der gesponserten Skinationalmannschaft. Die Förderung der drei Hartkäsesorten verschlang zuletzt jährlich eine halbe Milliarde an Bundesgeldern. 1994 war Schluss damit. Die Folgen sind bis heute sichtbar: Falls Sie sich mal in Frankreich vor einer Käsetheke über die ausufernde Vielfalt im Vergleich zur Schweiz gewundert haben – der Grund für die hiesige Einfalt liegt bis heute in der Käseunion von damals.
Geförderter Einheitsbrei
Ersetzen Sie Emmentaler durch Tamedia und Sbrinz durch CH Media, nehmen Sie noch die «Single Login»-Idee von Ringier dazu, was letztlich ein Bezahlverbund über sämtliche Inhalte der Grossverleger werden soll, und das Kartell steht. Packen Sie noch Fördergelder für das Einheitsangebot in dreistelliger Millionenhöhe dazu – und fertig ist die Käseblätterunion.
Am jährlichen Qualitätsjournalismus-Tag in Winterthur beantwortete letzte Woche der gut gelaunte Chefredaktor Patrik Müller die Fragen des Moderators. Müller verantwortet bald den gesamten Mantelteil von CH Media, also alles, was im Regioverbund aus AZ-Medien und NZZ-Töchtern im Inland-, Ausland-, Wirtschafts- und Sportteil sowie im Rumpffeuilleton zwischen St. Gallen und Solothurn zu lesen sein wird. Noch breiter aufgestellt ist nur noch Müllers Kollege Arthur Rutishauser, der rund drei Viertel des Inhalts aller Tamedia-Blätter von der «BaZ» bis zum «Landboten» publizistisch verantworten wird.
Müller ist ein vielseitiger Kerl. Die abnehmende Vielfalt wird er nicht im Alleingang stoppen, trotzdem sei er zuversichtlich. Ein Businessmodell komme ihnen irgendwann noch in den Sinn; bis es so weit sei, würden sie einfach weiter sparen. Der Abbau von 200 Stellen sei zwar tragisch, aber das sei jetzt halt mal so.
Wanner sieht schwarz
Dramatischer schätzt Müllers Chef, Verleger Peter Wanner, die Situation ein. Er nahm vor einem Monat den angekündigten Abbau der 200 Stellen zum Anlass, die Forderung nach Zeitungsförderung von 30 Millionen auf 100 Millionen Franken zu erhöhen. Der Bundesrat unterschätze die dramatische Lage der Verlage, erklärte Wanner. Mit seiner Einschätzung gab er den Weg für eine Strategie vor, die auf drei Pfeilern fusst:
- Sparen, abbauen und zusammenlegen.
- Öffentliche Subventionen im Namen der Medienvielfalt fordern.
- Andere und neue Medienanbieter von Fördermassnahmen fernhalten.
Das Geld zur Erhaltung der vermeintlichen Medienvielfalt, die Tamedia und CH Media künftig noch bieten wollen, soll deshalb ausschliesslich via Zeitungsbezuschussung verteilt werden. So werden unliebsame neue Angebote wie regionale Onlineanbieter bis auf Weiteres ferngehalten.
Aber Wanner und die darbenden Verleger haben ein Problem: Tamedia. Dass die Besitzerfamilie dem Journalismus weiterhin jährlich und konstant zweistellige Millionenbeträge entzieht und sich als Dividende auszahlt, beisst sich mit der Subventioniererei. Schliesslich wird mit jedem Franken, den der Staat Tamedia zusteckt, nicht die Medienvielfalt gefördert, sondern das Gegenteil.
Im abschliessenden Gespräch liess die scheidende Medienministerin Doris Leuthard in Winterthur klar durchblicken, dass sie die Absichten der Verleger durchschaut hat. Eine Förderung der Ewiggestrigen komme für sie nicht infrage. Wenn schon, dann müssten andere Onlineangebote bezuschusst werden. Den Käsedress der Zeitungsunion will sie sich glaubhaft nicht anziehen. Es ist zu hoffen, dass das Parlament und Leuthards NachfolgerIn das ebenso sehen.