Pitchfork: Der Karriereschrittmacher

Nr. 49 –

Die 1995 vom damals 19-jährigen Ryan Schreiber in Minnesota gegründete Website pitchfork.com ist ein gutes Beispiel dafür, dass werthaltiger, sprachlich auch exzentrischer Journalismus stark wachsen kann. Erst recht nach dem Umzug nach Chicago 1999 hat Pitchfork so viel Marktmacht erreicht, dass diese manchen Indiebands zum Durchbruch verholfen hat, etwa Arcade Fire und Bon Iver. Das Problem: Pitchfork ist weltweit die einzige Website, der das gelang. Weder in Grossbritannien noch im deutschsprachigen Raum gibt es vergleichbare Projekte, die den BetreiberInnen und Angestellten ein Leben in der unteren Mittelklasse ermöglichen.

Dabei hat geholfen, dass Pitchfork schon früh im Netz war. Das Internet lebt nicht von Geschwindigkeit und Kommentarfunktion allein, sondern honoriert auch Tradition, zumal wenn es um Glaubwürdigkeit geht. Auch «Abgehört», die Musikkolumne auf «Spiegel Online», gibt es seit Ende 2000. Sie verzeichnet in den ersten drei Tagen jeweils 40 000 Aufrufe. Pitchfork spielt da mit 240 000 LeserInnen pro Tag noch mal in einer anderen Liga.

Bei Pitchfork galt lange, was auch für das «Spex» galt: Um die Texte, mehr noch die Zugänge zu verstehen, brauchte es die Lust zur Popbildung. Nur zu gerne würde man berichten, dass sich daran nichts änderte, nachdem 2015 mit Condé Nast ein grosser Verleger Pitchfork gekauft hatte («Vogue», «Glamour»). Die Sprache wurde normalisiert, es wimmelte nun von Listen, die Texte wurden kürzer. Und selbst auf Pitchfork schleichen sich «branded experiences» ein, gekaufter Content, der zwischen Redaktion und Werbung schlingert. Ein beliebter Kooperationspartner: Spotify. Trotz der Mäkelei: Wenn Pitchfork für längere Texte und Features Platz macht, sollte man sich die Zeit dafür nehmen.

www.pitchfork.com