The Needle Drop: Musikkritik für Serienjunkies
Klar, er nervt auch, dieser Anthony Fantano – mit seiner Hornbrille und seinen Karohemden, den Gesprächen mit seinem irritierenden Alter Ego und seinen individuellen Kauderwelschpseudonymen, die er sich am Anfang seiner Videos gibt. Aber irgendwie hat es der selbsternannte «geschäftigste Musiknerd im Internet» auch zum erfolgreichsten Videomusikblogger im Internet geschafft. Sein 2009 gegründeter Youtubekanal «The Needle Drop», auf dem er schon über 2700 Videos, vor allem Besprechungen einzelner Alben, veröffentlicht hat, bringt es auf 1,6 Millionen FollowerInnen und 400 Millionen Klicks. Da kann man sich glatt die Frage stellen: Sieht so der Musikkritiker des 21. Jahrhunderts aus?
Eines muss man Fantano lassen: Er hört genau hin, interessiert sich für das musikalische Material, seziert Strukturen, Sounds und Beats. Und obwohl seine durchgängig ironisierte Haltung teilweise ins Nihilistische zu kippen droht, hat sein Musikgeschmack ein paar angenehme Kanten – für experimentelle Elektronik und Metal hat er ein grosses Herz, und mit Abstand am liebsten mag er den brachialen Noise-Rap von Death Grips.
Doch «The Needle Drop» schaut man nicht in erster Linie, um Musik zu entdecken oder besser zu verstehen, also nicht für den Erkenntnisgewinn – sondern als Unterhaltung. In die Zeit passt das auch darum, weil Fantano die Musikkritik so aufbereitet, dass sie die repetitive Vertrautheit einer Fernsehserie verströmt.