Kommentar zum Milliardenüberschuss des Bundes: Herr Maurer, nutzen Sie die Gunst der Stunde!

Nr. 8 –

Schon wieder vermeldet der Bund einen milliardenschweren Überschuss. Die Schuldenquote ist so tief wie nirgends in Europa. Wohin mit dem Geld?

Chapeau, Herr Maurer. 2,9 Milliarden Franken. Um so viel besser als budgetiert schliesst Ihre Bundesrechnung 2018 ab. Dabei ist nicht mal die Rückstellung von 600 Millionen bei den Verrechnungssteuern mitgerechnet!

Allerdings, so wahnsinnig neu ist das ja nicht: Schon seit zwölf Jahren schliesst der Bund mit mehr oder weniger fetten Überschüssen ab. Seit der Finanzkrise 2007 ist die Schweiz neben Norwegen das einzige europäische Land, das seine Schulden senken konnte. Jetzt ist die Schuldenquote unter dreissig Prozent gesunken – Europarekord! Ist es das, womit Sie in die Geschichtsbücher eingehen wollen? Als Rappenspalter der Nation mit einer goldenen Schuldenbremse?

Ach ja, die Schuldenbremse. 2003, als sie eingeführt wurde, gab es gewiss noch gute Gründe dafür. Immerhin hatte der Bund in den neunziger Jahren eine Serie von Defiziten hingelegt. Nun aber, Herr Mauer, nach all den fetten Jahren, ist genug. Jetzt geht es um mehr als um schön frisierte Erfolgsrechnungen. Jetzt können Sie ausatmen – und zeigen, was ein guter Staatsmann ist.

Oder wollen Sie riskieren, dass vor lauter Bremserei der Stillstand droht und Sie als Verhinderer einer innovativen Politik in die Annalen eingehen? Obwohl Sie wissen dürften, dass ein Staat, der sich Schuldenfreiheit zum obersten Prinzip macht, das wirtschaftliche Wachstum blockiert? Womit also, lieber Herr Maurer, lässt sich bei diesem permanenten Kassengeklingel die Weiterführung der Schuldenbremse überhaupt noch legitimieren?

Vor ein paar Wochen, bei Ihrer Antrittsrede als Bundespräsident, haben Sie mit Ihrem Aufruf zu «mehr Spass» in der Politik vereinzelte Jauchzer und parteiübergreifenden Applaus geerntet. Und nun? Nun warnt ihr Finanzdepartement gut eidgenössisch vor Übermut. Statt innovative Ideen zu entwickeln, die allen Bevölkerungsteilen und Generationen zugutekämen, kokettiert Ihr Departement mit Steuersenkungen oder der Abschaffung von Abgaben wie den Industriezöllen oder Stempelabgaben. Wohin dieser chronische Zweckpessimismus langfristig führt? Aber sicher, Herr Maurer, auch das muss man Ihnen nicht erklären: zu weiteren Sparpaketen und weiterem Leistungsabbau.

Zukunftsorientierte, gestaltungslustige Finanzpolitik sieht anders aus. Sechzehn Jahre nach der Einführung der Schuldenbremse ist es Zeit, nach vorne zu schauen. Jahr für Jahr gab diese Bremse dem Finanzdepartement den Freipass, soziale, ökologische, kulturelle und wirtschaftliche Fortschritte zu blockieren. Womit angesichts des aktuellen Zinsniveaus immer noch mehr Geld unproduktiv auf den Konten der Grossbanken schlummert: Milliardendepots als Ersatz für jenes Eigenkapital der Grossbanken, das diese nicht haben? Damit muss endlich Schluss sein!

Diesen Frühling wollen Sie einen Bericht dazu vorlegen, wie der Bundesrat künftig mit den Überschüssen umgehen will. Soll das Parlament darüber entscheiden dürfen, Überschüsse für sinnvolle Ausgaben zu verwenden? Und wie wäre es mit einer Sonderkasse, auf die der Bundesrat bei besonders dringenden Projekten zugreifen könnte?

Herr Maurer, nutzen Sie die stabilen Finanzen als Gunst der Stunde! Seien Sie ein fröhlicher Staatsmann und springen Sie über Ihren ideologischen Schatten! Investieren Sie dort, wo es nottut: in die Arbeitsintegration von Menschen über fünfzig und von Geflüchteten etwa, in die Betreuung und Pflege von Betagten, in Kindertagesstätten und Elternzeit. Seien Sie ein wahrer Patriot, und investieren Sie auch in den Ausbau der Prämienverbilligung, in den Klimaschutz und die Umsetzung der Energiewende.

Und, sehr geehrter Herr Bundespräsident: Vergessen Sie nicht den Wissens- und Bildungsstandort – und die Sicherung unserer Sozialwerke! Nehmen Sie sich ein Vorbild am Infrastrukturinvestor Alfred Escher, und seien Sie ein Pionier! Die Eidgenossenschaft wird es Ihnen dereinst verdanken. Vielleicht gar mit einem Denkmal. Viel Spass!