US-Sanktionen gegen Kuba: Das Ende der Annäherung

Nr. 17 –

Neu dürfen ExilkubanerInnen internationale Firmen und Privatpersonen, die in Kuba investiert haben, in den USA verklagen. Auch Schweizer Konzerne wie Nestlé könnten von der Regelung betroffen sein.

John Bolton hätte kaum ein zynischeres Datum wählen können: Der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump verkündete am Mittwoch vergangener Woche neue Sanktionen gegen Kuba, Venezuela und Nicaragua. 58 Jahre zuvor hatte eine von den USA finanzierte, ausgebildete und dirigierte Söldnertruppe aus Exilkubanern versucht, sich in der Schweinebucht an der Südküste der karibischen Insel festzusetzen. Eine in den USA zusammengestellte «Übergangsregierung» sollte einfliegen und die US-Armee zu Hilfe rufen, um die revolutionäre Regierung Fidel Castros zu stürzen. Die Militäroperation scheiterte kläglich. Ihr Ziel aber – den Sturz der kubanischen Regierung – verfolgt Trump noch heute. Nur eben mit anderen Mitteln: Die neuen Sanktionen sollen Kuba wirtschaftlich erwürgen.

Vor Veteranen des damaligen Überfalls nannte Bolton die drei revolutionären (oder sich zumindest so nennenden) Regierungen Venezuelas, Nicaraguas und Kubas eine «Troika der Tyrannei», ein «schäbiges Dreieck des Terrors», das bald stürzen werde. Venezuela und Nicaragua streifte er nur kurz: Er kündigte neue Sanktionen gegen die Zentralbank in Caracas und gegen Bancorp, die Hausbank des nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega, an; dazu gegen Ortegas Sohn Laureano, den Bolton als den designierten Nachfolger seines kränkelnden Vaters ausgemacht haben will. Der Hauptteil der Rede des Sicherheitsberaters galt Kuba. Der Inhalt, kurz zusammengefasst: «Die Obama-Ära ist vorbei.»

Statt der Entspannungspolitik von Trumps Amtsvorgänger sollen ab dem 2. Mai Besuche von US-BürgerInnen auf der Insel, die nicht direkten Familienangehörigen gelten, streng limitiert werden. Überweisungen aus den USA an Familienangehörige in Kuba werden auf tausend US-Dollar im Vierteljahr begrenzt. Und vor allem: ExilkubanerInnen können Firmen und Privatpersonen, die in Kuba enteignete und verstaatlichte Güter und Immobilien nutzen, in den USA verklagen.

Jubel bei ExilkubanerInnen

Diese Klagemöglichkeit ist im dritten Titel des sogenannten Helms-Burton-Gesetzes verankert, das der US-Kongress 1996 verabschiedet hatte – eine Reaktion auf den Abschuss zweier Kleinflugzeuge, die über Kuba rechtes Propagandamaterial abwerfen wollten. Alle US-Regierungen aber hatten diesen Teil des Gesetzes im Halbjahresrhythmus ausser Kraft gesetzt, weil sie internationale Probleme befürchteten. Auch Trump war dieser Routine in seinen beiden ersten Amtsjahren gefolgt. Jetzt soll die Regel angewandt werden.

«In unseren kühnsten Träumen konnten wir uns nicht vorstellen, dass eine US-Regierung das tun würde», jubelte Nicolás Gutiérrez, der Präsident der vorrevolutionären Nationalen Vereinigung der Zuckermühlenbesitzer Kubas in der «New York Times». «Keine Regierung hat das je getan. Vergesst Reagan. Vergesst Bush.» Die Europäische Union und Kanada hingegen protestierten. Kanada und vor allem das EU-Land Spanien haben stark in den Tourismus in Kuba investiert – zum Teil auch in Hotels, die Anfang der sechziger Jahre enteignet worden waren. Auch die Schweiz könnte von der Regelung betroffen sein: Nestlé baut derzeit in der zollfreien Sonderwirtschaftszone von Mariel in einem Joint Venture mit dem kubanischen Staatskonzern Coralsa für 54 Millionen US-Dollar eine Lebensmittelfabrik, die Anfang nächstes Jahr in Betrieb gehen soll.

Als hätten sie es geahnt, hatten Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel und Raúl Castro, noch immer Vorsitzender der Kommunistischen Partei, schon vor Boltons Rede vor schlimmen Zeiten gewarnt. Auch ohne die neuen Sanktionen geht es Kuba schlecht. Seit Venezuela, der wichtigste Verbündete der sozialistischen Insel, in der tiefsten Wirtschaftskrise seiner jüngeren Geschichte versinkt, ist auf die vorher üppigen Erdöllieferungen im Austausch gegen kubanische Ärztinnen und Militärberater kein Verlass mehr.

Seit vier Jahren sinken die Exporteinnahmen Kubas, seit drei Jahren gilt ein Austeritätsprogramm, das Importe beschränkt. Das Wirtschaftswachstum für 2019 wurde auf ein mageres Prozent prognostiziert. Doch schon in den vergangenen drei Jahren wurden noch so bescheidene Wachstumsziele nicht erreicht. Stattdessen schrammte die Volkswirtschaft knapp an einer Rezession vorbei. Schon jetzt wird vereinzelt der Strom abgeschaltet, in manchen Gegenden gibt es immer wieder Engpässe bei der Versorgung mit Benzin, Brot, Eiern und importierten Medikamenten.

Drohende Beschlagnahmungen

«Die Härten des Augenblicks verlangen von uns klar definierte Prioritäten», mahnte Präsident Díaz-Canel bei einer Rede vor der kubanischen Volkskammer am Wochenende vor Boltons Ankündigung. Raúl Castro versuchte derweil zu beruhigen: «Es geht nicht darum, in die harten Zeiten des ‹período especial› zurückzukehren.» Schon allein die Erwähnung dieser sogenannten Spezialperiode in den neunziger Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erschreckt in Kuba. Damals brach das Bruttoinlandsprodukt innerhalb von drei Jahren um 35 Prozent ein, drei Viertel des Aussenhandels gingen verloren, viele KubanerInnen lernten den Hunger kennen. «Wir haben heute eine diversifiziertere Wirtschaft», munterte Castro die Abgeordneten auf. Aber er sagte auch: «Wir müssen uns auf die schlimmste aller Möglichkeiten einstellen.»

In seiner zehnjährigen Regierungszeit hatte Raúl Castro versucht, die unter seinem Bruder und Amtsvorgänger Fidel entstandene Abhängigkeit von Venezuela zu lindern. Sein seit dem vergangenen Jahr amtierender Nachfolger Díaz-Canel hat diesen Kurs fortgesetzt. Im Aussenhandel der Insel spielt heute China eine ähnlich grosse Rolle wie Venezuela; Kanada und Spanien liegen nur knapp dahinter. Aber noch immer kommt rund die Hälfte des Erdöls aus Venezuela. Sollte das Land – etwa nach einem von Trump angestrebten Sturz der Regierung von Präsident Nicolás Maduro – als Handelspartner ausfallen, würde dies in Kuba nach Einschätzung verschiedener VolkswirtschaftlerInnen zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um acht bis zehn Prozent führen.

Von den jetzt angekündigten Sanktionen treffen die Reisebeschränkungen für US-BürgerInnen Kuba am direktesten. Die Zahl der TouristInnen aus den Vereinigten Staaten war durch die Annäherungspolitik Barack Obamas auf mehr als das Zehnfache explodiert. Auch wenn noch keine Details der neuen Sanktionen bekannt sind, ist davon auszugehen, dass Trump nur noch wenige sportliche oder kulturelle Kontakte zulassen will. Weniger TouristInnen bedeuten weniger Devisen, die wiederum für Importe nötig sind.

Die Beschränkung der Überweisungen von ExilkubanerInnen in den USA an Familienangehörige auf der Insel dagegen ist blosse Augenwischerei. Kaum jemand erhält mehr als das neue Limit von tausend US-Dollar im Vierteljahr überwiesen. Auch die Klagemöglichkeit gegen die Nutzung beschlagnahmter Immobilien und Güter vor US-Gerichten kann kubanische Firmen und StaatsbürgerInnen kaltlassen: Solche Urteile werden von Kuba nicht anerkannt. Und kubanisches Vermögen in den USA, das ersatzweise beschlagnahmt werden könnte, gibt es nicht mehr. Alles, was es einmal gab, ist längst beschlagnahmt worden.

Trotzdem ist diese Klagemöglichkeit die gefährlichste der neuen Sanktionen. Betroffen davon sind vor allem internationale Firmen, die in Kuba investiert haben. Besitzen die auch Vermögenswerte in den USA, so riskieren sie, dass die dortigen Gerichte zu Beschlagnahmungen greifen. Firmen, die auf der Insel investieren wollen, werden zaudern – und der kubanischen Wirtschaft dringend benötigte Auslandsinvestitionen vorenthalten.