Kost und Logis: Nachhaltige Hosen

Nr. 38 –

Karin Hoffsten erlebt hautnah den freien Warenverkehr

«Merkel kam zum vierten Mal im gleichen Kimono», empörten sich österreichische Zeitungen, als Angela Merkel 2019 erneut in ihrem farbigen Seidenkimono zu den Salzburger Festspielen kam. Andere interpretierten die Kleiderwahl der Kanzlerin als gelungenes Statement gegen Fast Fashion, denn der besagte Kimono soll bereits 23 Jahre auf dem Buckel haben. Weshalb es auch, grammatikalisch betrachtet, derselbe und nicht der gleiche Kimono ist, denn in dem Fall hätte die Kanzlerin das edle Modell viermal neu kaufen müssen.

Aber auch Menschen, denen Kleidungsstücke am Herzen liegen, die nicht schon nach kurzer Zeit auseinanderfallen, haben manchmal Lust auf Neues. So standen wir kürzlich zu Hause staunend vor ein paar Herrenbundfaltenhosen, die alle – mindestens 25 Jahre alt – kaum getragen wirkten. Vor unserem inneren Auge zogen jene Zeiten vorbei, als diese Hosen noch zu Leben und beruflicher Situation passten, doch «Nein», sagte der Mann des Hauses, «auch wenn sie noch gut sind, ich will sie einfach nicht mehr anziehen!»

Also stellte ich ein Foto der Hosen samt Massangaben auf Facebook und Twitter, in der Hoffnung, ein Betrachter erkenne ihre zeitlose Eleganz. Nach zwei Tagen meldete sich ein Facebook-«Freund» aus Deutschland, den ich nicht persönlich kenne, und erklärte sich bereit, gleich vier Hosen zu übernehmen. Da ich seine Facebook-Beiträge schätze, willigte ich ein: So eine Hose gehört schliesslich an vertrauenswürdige Beine.

Obwohl mir der Adressat von Fotos her nicht die richtige Konfektionsgrösse zu haben schien, packte ich voller Sorgfalt mein grosses Paket. Am Postschalter bekam ich das grüne Etikett, das für die scharfe Grenze steht, die die Schweiz zumindest postalisch von Deutschland trennt, und vermerkte darauf, es handle sich um ein Geschenk von ausschliesslich ideellem Wert, damit nur ja niemand auf die Idee käme, Zoll darauf zu erheben.

Mein Paket wog zwei Kilo und 34 Gramm. «Das kostet jetzt 42 Franken», sagte die Dame am Schalter, und auf meinen entgeisterten Blick hin: «Es sind genau 34 Gramm zu viel.» Bis zu zwei Kilo Gewicht müsse ich nur 23 Franken zahlen. Ob ich schnell etwas auspacken wolle?

Beim Gedanken, mein hermetisch verschlossenes Paket wieder zu öffnen, um für 34 Gramm ein Stück Hosenbein abzuschneiden, wurde mir wind und weh. Ich zahlte. Das Angebot, für eine mögliche Rücksendung noch mal genau so viel draufzulegen, falls der Empfänger nicht erreichbar sei, schlug ich aus.

Kurz darauf erhielt ich vom Beschenkten die Nachricht: «Herzlichen Dank, alles angekommen! Leider sind sie mir zu gross, aber ich werde sie wertschätzend weitergeben.» Dass die Grösse nicht stimmte, hatte ich ja schon geahnt, doch «wertschätzend weitergeben» tröstete mich darüber hinweg.

Unsere ausrangierten Kleider bringen wir in Zukunft aber wieder in einen der Caritas-Läden.

Auch Karin Hoffsten besitzt Kleidungsstücke, die 23 und mehr Jahre alt sind. Ein Seidenkimono findet sich allerdings nicht darunter, doch es hat sie auch noch nie zu den Salzburger Festspielen hingezogen.