Geschichtspolitik: Kontroverser Auftritt an der Uni Zürich
Die Universität Zürich lädt in regelmässigen Abständen umstrittene GastrednerInnen ein, die auf laute studentische Kritik stossen. 2012 beispielsweise konnte die damalige IWF-Chefin Christine Lagarde nur unter Protest auftreten. Vor zwei Jahren musste der geplante Vortrag von David Petraeus, einst Oberbefehlshaber der US-Truppen im Irak, sogar ganz abgesagt werden.
Am Freitagabend kommt nun erneut ein umstrittener Gast an die Universität: der deutsche Historiker Jörg Baberowski. Er gilt einerseits als anerkannter Stalinismusexperte, fiel in jüngerer Vergangenheit aber auch mehrfach durch nationalistische und revisionistische Äusserungen auf: Er bagatellisiere die Gewalt, der Geflüchtete in Deutschland ausgesetzt sind, hält die «Frankfurter Rundschau» fest. Hinzu kommt ein wüster Streit zwischen ihm und Teilen der Studierenden an der Berliner Humboldt-Universität, wo Baberowski lehrt. Zuletzt bezeichnete er zwei kritische Frauen als «unfassbar dumme Studentinnen».
Eingeladen hat Baberowski der Zürcher Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann: im Rahmen der Vortragsreihe «Gewalt und Opfer. Eine andere Geschichte» am Masterstudiengang Applied History. Es habe bisher eine studentische Anfrage gegeben, weshalb das Institut eine Person einlade, «die dem rechtsextremen Spektrum nahestehe», aber keinen lauten Protest, sagt Straumann. «Wir haben Baberowski als anerkannten Spezialisten für Stalinismus eingeladen. Und nur um dieses Thema soll es am Freitag gehen.»
Der Auftritt habe zum Streit in Berlin keinerlei Bezug, tagespolitische Äusserungen seien nicht vorgesehen. Straumann sagt, er kenne die Kritik am Historiker, finde es aber wichtig, dass weiterhin die Möglichkeit bestehe, miteinander zu reden.