Medientagebuch: Staatlich zertifiziert

Nr. 36 –

Adrian Riklin über das sozialdemokratische Medienpapier.

«Umbruch und Aufbruch»: Unter diesem Titel lädt der Verband Schweizer Medien zum diesjährigen Kongress der Zeitungsverleger nach Interlaken. Rekapituliert man die letzten Jahre, könnte man von «Abbruch» reden: Abbau von Hunderten von journalistischen Arbeitsplätzen; verschlechterte Produktionsbedingungen – sowie eine rasante Konzentration und Monopolisierung im Pressebereich (vgl. «Der Mann, der nicht an Tamedia verkaufte» ).

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats hat bereits Anfang 2012 ein Förderkonzept zur Stärkung der demokratiepolitischen Bedeutung der Medien gefordert. Auch die SP Schweiz hat ein medienpolitisches Papier veröffentlicht. Um Bedingungen zu schaffen, «unter denen ein demokratiegerechter Journalismus für eine möglichst breite Bevölkerung hergestellt werden kann», schlägt sie den Wechsel von der indirekten Presseförderung durch verbilligte Posttarife zu einer direkten Journalismusförderung vor, die alle Medien und Gattungen umfasst. Beschafft werden sollen die laut SP dafür notwendigen 100 bis 200 Millionen Franken durch eine Werbeabgabe, eine Datenverkehrsabgabe für Webdienste, die journalistische Leistungen Dritter verwerten, sowie durch Gelder aus dem Gebührensplitting. Gefördert werden sollen damit allerdings nur jene Medien, die gewisse Kriterien erfüllen. Wie etwa: Reinvestition allfälliger Gewinne, redaktionelle Autonomie, Mitbestimmung der Redaktion bei unternehmensstrategischen Fragen, Offenlegung der Eigentumsverhältnisse sowie faire, über einen Gesamtarbeitsvertrag abgesicherte Arbeitsbedingungen.

Insbesondere der letzte Punkt hat zweifellos seine Berechtigung. Seit bald zehn Jahren verhindern die Verleger einen Gesamtarbeitsvertrag für die Deutschschweiz und das Tessin (für die Romandie haben sie ihn Ende 2012 gekündigt). Schwieriger wird es bei den inhaltlichen Auflagen: «Allfällige Vorgaben auf der Inhaltsebene» hätten sich gemäss SP-Medienpapier «an den Kernelementen Relevanz und Vielfalt» zu orientieren.

Zwar wird betont, dass die Unabhängigkeit der Medien dabei unangetastet bleiben soll. Unterstrichen wird das mit dem Vorschlag, ein unabhängiges Gremium über die Vergabe der Gelder entscheiden zu lassen. Auf die Frage aber, wie objektiv über «Relevanz» und «Vielfalt» eines Mediums geurteilt werden soll, ist keine überzeugende Antwort zu lesen. Und damit auch nicht auf die Fragen: Wie weit wirkt sich ein staatlich kontrollierter Leistungsauftrag auf journalistische Inhalte aus? Was passiert in Köpfen von Verlegern, wenn sie zum Erhalt von staatlichen Geldern alljährlich Formulare ausfüllen müssen? Und was bedeutet dieser Bürokratismus für kleine, unangepasste Betriebe?

Die staatspolitische Kardinalsfrage in Sachen Medien lautet also: Wie lässt sich unabhängiger Journalismus fördern, ohne ihn in eine neue Abhängigkeit zu bringen? Letztlich müsste das Ziel sein, die Produktionsbedingungen für alle Beteiligten zu verbessern, ohne direkten Einfluss auf Betriebskultur und Inhalte zu nehmen. Kann man Unabhängigkeit, Vielfalt, interne Mitbestimmung von aussen diktieren? Oder kann man sie nur von innen erstreiten?

Man darf gespannt sein, was die Jahr für Jahr kleiner werdende Gruppe von Verlegern übernächstes Wochenende im Grandhotel Victoria-Jungfrau zum – trotz aller ungeklärten Fragen – substanziellen sozialdemokratischen Diskussionsbeitrag sagen wird. Wenn sie in ihrer Abbruchstimmung überhaupt noch etwas zu sagen hat.

Adrian Riklin ist WOZ-Redaktor.