Wohnungssanierungen: Wenn sogar die Uno interveniert

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Immer wieder kündigen WohneigentümerInnen den MieterInnen vor Sanierungen, streichen für ökologische Umbaumassnahmen Fördergelder ein und vermieten den sanierten Wohnraum dann massiv teurer. Das will die Wohnungsinitiative künftig verhindern.

Leerkündigung im Namen des Umweltschutzes: 196 Mietparteien müssen die Hochhäuser am Basler Schorenweg verlassen. Foto: Kenneth Nars, «bz Basel»

Ob die Fassade isoliert oder die Ölheizung durch einen Anschluss ans Fernwärmenetz ersetzt wird: In der Schweiz unterstützt das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen energetische Umbauten. Die Förderbeiträge müssen die EigentümerInnen allerdings den MieterInnen zugutekommen lassen. Doch wenn WohneigentümerInnen vor der Sanierung allen MieterInnen kündigen, können sie die Subventionen trotzdem beziehen und die Neumieten viel höher ansetzen. Dem will die Wohnungsinitiative, die am 9. Februar zur Abstimmung kommt, einen Riegel vorschieben.

In den Hochhäusern am Basler Schorenweg erhielten letztes Jahr 196 Mietparteien die Kündigung – wegen einer Sanierung. Mittlerweile hat sogar die Uno auf diese Leerkündigung reagiert: Leilani Farha, die Uno-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen, setzte sich Ende letzten Jahres mit einem Brief an den Bundesrat für die MieterInnen am Schorenweg ein. Farha appelliert, dass das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen eingehalten werde. Die Credit Suisse, die diese Sanierung am Schorenweg verantwortet, wies Farhas Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück.

Bundesrat bleibt untätig

Gegenüber der WOZ bestätigt die Grossbank nun die Förderberechtigung ihres Sanierungsprojekts am Schorenweg. Bis jetzt habe man die Förderung aber noch nicht beantragt. Der Grossbank bleibt bis zum Baubeginn Zeit. Dieser verzögert sich, weil sich Dutzende MieterInnen juristisch gegen die Kündigung wehren.

Wahrscheinlich handelt es sich um eine marginale Fördersumme; doch die Konstellation bleibt absurd: Die Schweizer Behörden müssen sich wegen einer Luxussanierung gegenüber der Uno rechtfertigen, die sie auf Antrag sogar noch subventionieren würden.

Dass manche EigentümerInnen ihre Liegenschaften leerkünden und sich trotzdem durch das Gebäudeprogramm bezuschussen lassen, wusste der Bundesrat bereits vor fünf Jahren. Von «Einzelfällen» und «Missbräuchen» sprach die damalige Umweltministerin Doris Leuthard in der Nationalratsdebatte zur Energiestrategie 2050. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran versuchte damals erfolglos, einen Förderstopp für leerkündende EigentümerInnen in die Energiestrategie zu integrieren. Leuthard wollte das Thema nicht in der Energiestrategie behandelt wissen – erkannte aber den Handlungsbedarf an. Passiert ist seither: nichts.

Nun fordert die Wohnungsinitiative dasselbe – und der Bundesrat behauptet im Abstimmungsbüchlein, ein solcher Förderstopp würde die Energiestrategie unterlaufen. Das ist ein durchschaubares Manöver. Trotzdem ist die Frage: Können Nachhaltigkeit und bezahlbarer Wohnraum gleichermassen verfolgt werden?

Patrizia Bernasconi vom Basler Mieterinnen- und Mieterverband ist davon überzeugt. Neben einem Förderstopp wären auch Mietzinsbremsen nach Sanierungen, wie sie die Kantone Waadt und Genf bereits kennen, eine Massnahme, um Leerkündigungen zu verhindern. Alternativ könnte schweizweit eine Bewilligungspflicht für Sanierungen eingeführt werden – so wie sie in Basel-Stadt nach Abstimmungserfolgen der MieterInnen nun verhandelt wird. «Es geht der Wohnungsinitiative aber nicht nur um Leerkündigungen, sondern auch um den Schutz der mietenden Bevölkerungsmehrheit vor massiven Mietaufschlägen», sagt Bernasconi.

Momentan können EigentümerInnen bei allen grösseren Sanierungen pauschal 50 bis 70 Prozent ihrer Umbaukosten als «wertsteigernde Massnahmen» auf die MieterInnen übertragen. Die Prozentsätze sind Fantasiezahlen; sie wurden vor über vierzig Jahren eingeführt, um EigentümerInnen zu Investitionen im Sinne der MieterInnen anzuspornen. Vergangenen Herbst untersuchte eine Studie der Hochschule Luzern im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen zwanzig Sanierungsfälle. Ergebnis: Real waren nur 34 bis 58 Prozent der Investitionen wertsteigernd. Für Bernasconi ist klar, dass die Pauschalsätze aufgrund dieser Ergebnisse sinken sollen. Der Bund sieht keinen Handlungsbedarf.

Sozialverträgliche Genossenschaften

Dabei wäre es mit genügend Willen möglich, sozialverträglich und nachhaltig zu sanieren. «Eine Vierzimmerwohnung kann für 100 Franken mehr pro Monat energetisch saniert werden – auf Minergiestandard für 150 bis 200 Franken», rechnet der grüne Nationalrat Michael Töngi vor. Bernasconi formuliert das Fernziel pointierter: «Netto null.» Der Mietaufschlag nach Sanierungen soll durch Einsparungen bei Energie- und Heizkosten kompensiert werden. Im freien Wohnungsmarkt erscheint das undenkbar.

Aus einer anderen Realität weiss Ivo Balmer zu erzählen. Bei der Basler Genossenschaft Mietshäuser Syndikat bekommt man eine Dreizimmerwohnung in der Stadt für 1000 Franken im Monat. Balmer berichtet von Sanierungen, nach denen die BewohnerInnen bloss 20 Franken monatlich mehr zahlen. Das ist möglich, weil Genossenschaften bei Sanierungen nicht auf Pauschalen und Rendite schielen. «Darum ist es falsch, bei der Initiative zwischen sozialen und ökologischen Forderungen zu trennen: Mit einem höheren Genossenschaftsanteil geht auch eine sozialverträgliche Energiewende voran», sagt Balmer.