Durch den Monat mit Salomé Balthus (Teil 1): Warum haben Sie eine Kolumne in der «Weltwoche» abgelehnt?
Eine Berliner Sexarbeiterin gegen die Medien der alten, weissen Männer: Salomé Balthus über Freiwild, Angstblüten und Konsens.
WOZ: Salomé Balthus, Sie sprechen ja noch mit Schweizer Medien! Ihr Besuch in Roger Schawinskis Talkshow im April hatte ja einiges ausgelöst …
Salomé Balthus: Das war ein hartes Interview, sicherlich kein kuscheliges – aber fair enough. In meiner Kolumne bei der deutschen Tageszeitung «Die Welt» habe ich dann ja über die problematischen Fragen geschrieben, die Schawinski mir in der Talkshow gestellt hatte. Woraufhin sich Schawinski wegen einer Ungenauigkeit beim Zitieren bei der «Welt»-Chefredaktion beschwerte – und diese mir direkt kündigte. Wenn, dann müsste ich also der «Welt» einen Vorwurf machen. Aber ich war ja freie Mitarbeiterin, sie konnten mich also jederzeit rausschmeissen und brauchten dafür keine Begründung.
Schawinski wurde später von der SRF-Ombudsstelle gerügt, er habe im Interview Ihre Menschenwürde verletzt. Ihnen indes hat die «Weltwoche» eine Kolumne angeboten. Warum haben Sie abgelehnt?
Der Springer-Verlag, dem die «Welt» gehört, ist sicher bürgerlich und konservativ. Die «Weltwoche» aber behauptet zwar, konservativ zu sein, ist allerdings de facto klar rechts. Ich möchte nicht deren Aushängeschild für eine quasifeministische, quasiliberale Politik sein – und damit die anderen Inhalte legitimieren. Daran möchte ich nicht teilhaben.
Nach Ihrer Absage versuchte ein «Weltwoche»-Journalist mehrfach, Sie für ein Interview zu gewinnen – auch das lehnten Sie ab. Daraufhin buchte er über Ihre Escortwebsite ein Dinnerdate mit Ihnen und veröffentlichte anschliessend ein dreiseitiges Porträt über Sie. Wie fühlten Sie sich, als Sie es gelesen hatten?
Zuerst wollte ich es gar nicht lesen! Ich hatte schon von Leuten gehört, dass sie es eklig fanden. Das wollte ich nicht in meinem Kopf haben. Ich musste aber mit meinem Anwalt die wörtlichen Zitate einzeln durchgehen, um zu prüfen, was ich davon tatsächlich gesagt hatte. Dafür musste ich mir das Porträt reinziehen – das war ausgesprochen unangenehm.
Was war Ihnen unangenehm?
Ich bin keine sehr verschlossene Person und gebe auf meinem Blog viel von mir preis. Nur: Es ist etwas völlig anderes, wenn man selbst entscheidet, wie viel man preisgibt. Wenn die «Weltwoche» aber meint, weil ich mich selbst sehr offen zeige, dürfe sie dies auch, hat sie ein entscheidendes Prinzip nicht verstanden: das der Konsensualität.
Sehen Sie in diesem Vorgehen ein Paradebeispiel dafür, wie manche Männer ein Nein schlichtweg nicht akzeptieren wollen?
Die «Weltwoche» hat ein unfreiwilliges Porträt mit nicht autorisierten Zitaten von mir veröffentlicht. Da könnte ich auch Zahnarzthelferin sein – so etwas geht einfach nicht! Aber der Umstand, dass ich Sexarbeiterin bin, liess den Journalisten wohl glauben, ich sei eine Art Freiwild. Womöglich hat er mein Nein nicht akzeptiert, weil er sich gar nicht vorstellen konnte, dass es ein Nein gibt. Er hat mir sogar die Printausgabe des Porträts und eine Weihnachtskarte geschickt – auf der Karte stand: «Ich hoffe, du bist mir nicht böse.»
Wie beurteilen Sie den medialen Umgang mit Ihnen aus feministischer Perspektive?
Das Muster dabei ist: Mir widerfährt als Frau etwas, das ich kritisiere und wogegen ich mich wehre. Dafür, dass ich mich wehre, werde ich dann nochmals bestraft. Nehmen wir den Rauswurf bei der «Welt»: Ich sage nichts dagegen, dass ich falsch zitiert habe. Das mag sein. Aber man hätte dies auch anders lösen können.
Oder: Ich biete der «Weltwoche» einen Vergleich an – für einen Fehler, den sie gemacht hat. Aber sie empört sich auch noch darüber. Die Zeitung, die mich also gegen meinen Willen porträtiert und das Porträt mit intimen Details dann gross bewirbt, wirft mir nun vor, es würde mir nur um Medienaufmerksamkeit gehen. Und nachdem sie mit intimen Details über meine Sexualität ihre Auflage erhöht haben, werfen sie mir auch noch Geldgier vor. Das ist wirklich fast schon komisch!
Damit nicht genug: Ein anderer «Weltwoche»-Redaktor schrieb auf Twitter, seine einzige Kritik an seinem Kollegen sei, dass es beim Dinnerdate «nicht zum Vollzug» gekommen sei. Was denken Sie darüber?
Ich mache mich gerne darüber lustig. Dabei ist das natürlich überhaupt nicht zum Lachen. Es ist eine Machtdemonstration von jemandem, der mich offensichtlich diffamieren wollte. Von jemandem, der das Unrecht seines Kollegen oder Geschlechtsgenossen wegwischt, indem er eine Frau beleidigt. Und damit nicht nur mich, sondern eigentlich alle Frauen.
Das Verhalten gleicht dem einer Angstblüte – diesem botanischen Phänomen eines ungewöhnlichen Blühens von Fichten – kurz vor ihrem Absterben: Er weiss, dass die Zeit der alten, weissen Männer vorbei ist. Deshalb blüht sein Machoverhalten nochmals richtig auf.
Salomé Balthus (34) ist Philosophin, Autorin und Sexarbeiterin. Unter dem Slogan «Linke Hure gegen rechte Zeitung» hat sie per Crowdfunding Geld für den Prozess gegen die «Weltwoche» gesammelt. Gewinnt sie, will sie das Geld einer gemeinnützigen Organisation für Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel spenden.