Durch den Monat mit Salomé Balthus (Teil 2): Warum sind Sie Kommunistin?
Die Berliner Autorin und Sexarbeiterin Salomé Balthus schildert ihr Leben zwischen Luxushotels und linken Wohngemeinschaften. Und erklärt, warum die Sexualität der Frau eine Eigentumsfrage ist.
WOZ: Frau Balthus, Sie gelten als «Luxus-Escort», weil Sie deutlich mehr Honorar verlangen als andere Sexarbeiterinnen. Warum fordern Sie mehr Geld?
Salomé Balthus: Das stimmt, ich bin bekannt, weil ich so viel Geld nehme. Aber ich bin deshalb nicht mehr wert als andere. Ich bin nicht besser im Bett und sehe auch nicht besser aus. Der einzige Unterschied ist: Ich schreibe diese Preise auf meine Website. Ich orientiere mich schon daran, was man in Berlin verlangen kann, aber bei Sexarbeit ist es wie in der Kunst – das sind doch immer völlige Fantasiepreise! Meine Preise sollen andere Frauen dazu motivieren, sich selbst mehr wertzuschätzen. Gerade in unserem Beruf sollten wir die eigenen Preise möglichst frei bestimmen können.
Durch Ihre Arbeit pendeln Sie zwischen verschiedenen Welten – zwischen Fünfsternehotels und Berlin-Kreuzberg. Wie erleben Sie das?
Ich lerne sehr verschiedene Bereiche der Gesellschaft kennen. Ich kenne Hausbesetzer, bei denen der WG-Weihnachtsbaum mit abgebrochenen Mercedes-Sternen geschmückt ist. Und ich lerne Milliardäre kennen, die sich im Zürcher Hotel Dolder Grand vier Wochen Ferien mit der ganzen Familie leisten können. Was das persönliche Glück angeht, unterscheiden sich diese Leben jedoch kaum. Jeder hat seine eigenen hausgemachten Probleme. Man könnte sich das Leben gegenseitig so erleichtern, wenn sich diese Sphären mehr berühren würden. Die Welt könnte ein so schöner Ort sein, wenn es den Kapitalismus nicht gäbe …
Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass Sie Kommunistin seien.
Das war ein bisschen ironisch gemeint. Aber ich sympathisiere mit dem Kommunismus, seit ich als Teenager realisiert habe, was Kapitalismus ist, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Reichtum der einen und der Armut der anderen gibt. Der Reichtum ist ja nicht zufällig so ungleich verteilt wie durch einen himmlischen Salzstreuer. Es sollte gesellschaftlich geregelt sein, dass es keine zu grosse Ungleichheit gibt; das wäre im Interesse aller. Vielleicht müssen wir deshalb heutigen Profiteuren von sozialen Ungerechtigkeiten die Angst nehmen. Damit sie nicht länger fürchten, dass es ihnen bei einer Umverteilung am Ende so schlecht geht wie jenen, die heute unter ihnen leiden.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Kapitalismus und Sex? «Sex sells» ist das Credo sexistischer Werbung, trotzdem scheint Sex gesellschaftlich noch immer tabuisiert zu sein.
Ich denke, je mehr man Sex in der Werbung zur Ware macht, umso mehr wird er sonst im Alltag stigmatisiert. Je lockerer man hingegen mit dem Thema umgeht, umso intelligenter und ironischer wird auch die Werbung. Umso eher fragt man sich dann: Moment, muss man wirklich Titten zeigen, um diesen Rasenmäher zu verkaufen?
Selbst wenn es lustig gemeint ist: Für die Werbung wird der weibliche Körper immer objektiviert.
Letztlich ist es eine reine Eigentumsfrage: Wem gehört die Sexualität der Frau? Sie hängt am weiblichen Körper, weil dieser als Träger von sexuellen Botschaften und Erotik gilt. Das ist ein kostbares Gut, ein gesellschaftlicher Wert. Aber die Frauen dürfen das Gut nicht selbst besitzen, sondern die Männer eignen es sich an. Die Frauen müssen es zur Verfügung halten und schön gepflegt sein, aber die Männer sind diejenigen, die es besitzen. Deswegen ist es ein solcher Skandal, wenn Frauen sagen: Nein, ich nehme Geld dafür!
Deshalb provoziert Sexarbeit?
Ja. Lange Zeit konnte man Prostitution auch nur entschuldigen, wenn ein böser Zuhälter im Spiel war. Trotzdem wurde der Zuhälter dabei nie so stigmatisiert wie die Hure. Weil er eben nicht selbst arbeitet, sondern arbeiten lässt. Um die Eigentumsfrage geht es aber ebenso in der Ehe.
Inwiefern?
Auch da überträgt man das Eigentum des weiblichen Körpers auf den Mann. Lange galt etwa Ehebruch als Straftat nur für die Frau. Und überhaupt, diese ganze Heiratsprozedur: der Vater, der die Frau zum Altar führt, wo sie verheiratet wird. Das ist eine Eigentumsübergabe! Dazu trägt die Braut ein weisses Kleid, damit man das Blut sieht. Weil man glaubt, dass es so etwas wie Jungfräulichkeit gebe. Als hätte die Frau innen drin so eine Art Frischhaltefolie, die durchstossen wird – dann ist sie angebrochen wie eine Milchtüte. Das sind Fiktionen des Patriarchats. Sie halten sich nur so gut, weil der weibliche Körper vom Patriarchat als Eigentum beansprucht wird. Deshalb sollten die Frauen anfangen, das Eigentum an ihrem Körper und ihrer Sexualität selbst zu verwalten. Das ist der marxistische Punkt daran.
Salomé Balthus (34) lebt in einer Einzimmerwohnung in Berlin-Kreuzberg, weil sie mit ihrem Geld lieber KünstlerInnen unterstützt, als es für ihren eigenen Lebensstandard auszugeben. Vergangene Woche hat sie zum Internationalen Tag der Frau am Brandenburger Tor für die Rechte der SexarbeiterInnen demonstriert.