Heisse Luft in der Krise: Der auffällige Herr Aeschi
Wäre Thomas Aeschi vor Gericht gestanden, er hätte sich soeben selber überführt. Montag, Fragestunde des Nationalrats: Der Zuger SVP-Nationalrat lässt über seinen Ordnungsantrag abstimmen, er will die Session wegen des Coronavirus sofort unterbrechen. Der Antrag wird krachend abgelehnt: Selbst von der SVP, deren Fraktion er als Sprecher vorsteht, erhält Aeschi nur 13 von 55 möglichen Stimmen, wobei unklar bleibt, ob seine Fraktion ihn blossgestellt hat – oder er sich selber.
Denn Aeschi trieb weniger die Sorge um die Unversehrtheit der Legislative um, wie er freimütig einräumte. Vielmehr erkannte er im Virus einen Hebel, um die «Erhöhung der Benzin- oder Heizölpreise im Rahmen der CO2-Gesetz-Revision oder eine neue Überbrückungsrente mit Kosten von Hunderten von Millionen Franken» zu vertagen. Das sagte er erstaunlich sorglos im Nationalrat und gab damit jenen vielen KollegInnen recht, die schon länger an Aeschis Motiven zweifelten.
Paul Rechsteiner etwa, SP-Ständerat aus St. Gallen, beäugte Aeschis epidemiologische Ausritte stets misstrauisch: «Für tiefere Unternehmenssteuern würden sich die SVPler doch auf der Bahre in den Saal tragen lassen.» Oder Irène Kälin, Grüne Aargau, die Aeschis Anträge ein «unanständiges Manöver» nennt, sich dann immerhin ein bisschen freut, «dass er sich damit richtig lächerlich gemacht hat».
Ob ihn das stört, ist eine andere Frage. Aeschi, der sich mit viel Fleiss und Penetranz Christoph Blochers Gunst erarbeitet hat, fiel schon früh in der Coronakrise als origineller Kopf auf. Als das Bundesamt für Gesundheit eine Hotline einrichtete, legte der Unternehmensberater diese mit Telefonstreichen lahm – und mokierte sich danach darüber. Die Aktion war ähnlich populär wie sein Kampf gegen den Parlamentsbetrieb.
Vielleicht brauchte Aeschi auch bloss ein wenig Anlauf, um das politische Potenzial des Virus zu erfassen. Nach seinem Flop im Parlament kam es laut Medienberichten zu einer Aussprache in der SVP-Fraktion. Seine KollegInnen seien aufgebracht gewesen, heisst es. Selbstredend nicht so aufgebracht, als dass sie sich nicht sogleich wieder hinter ihrem Chef versammelt hätten. Einstimmig beschloss die Fraktion, die Grenze zu Italien müsse geschlossen, die Armee aufgeboten und unentbehrliche italienische Angestellte kaserniert werden. Thomas Aeschi hätte es wissen müssen, als er über Corona nachdachte: Auch daran kann nur der Ausländer schuld sein.