Krisenmanagement des Bundes: So weit der Plan …

Nr. 11 –

Das neue Coronavirus hält die Schweiz in Atem. Epidemiengesetz und Pandemieplan ermöglichen dem Bundesrat, einschneidende Massnahmen zu erlassen.

Italiens Regierung greift durch: Seit Anfang Woche steht das ganze Land unter Quarantäne – Schulen bleiben geschlossen, öffentliche Versammlungen wie auch Reisen sind verboten, die Bevölkerung ist angehalten, zu Hause zu bleiben. Und das keine drei Wochen nachdem im Land die erste Person positiv auf das neue Coronavirus respektive die Atemwegserkrankung Covid-19 getestet worden ist. Nur drei Tage später vermeldete das Tessin seinen ersten Fall. Droht der Schweiz ein ähnliches Szenario wie Italien?

Der Influenza-Pandemieplan Schweiz aus dem Jahr 2018 hält fest: «Hat eine pandemische Welle die Schweiz erst einmal erreicht, dauert es zwei bis drei Wochen, bis sich das Virus im ganzen Land verbreitet hat.» Auf Grundlage des Pandemieplans erstellen Bund und Kantone ihre Einsatz- und Notfallpläne. Der Plan selbst orientiert sich am Eskalationsmodell des Epidemiengesetzes (EpG), das von der «normalen» über die «besondere» bis zur «ausserordentlichen Lage» reicht. Am 28. Februar rief der Bundesrat die «besondere Lage» aus. Das bedeutet, dass die kantonalen Behörden nicht länger fähig sind, die Verbreitung von Covid-19 zu verhindern und zu bekämpfen. Zudem drohen «schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft oder auf andere Lebensbereiche», wie Artikel 6 des EpG festhält. Die Verordnung der «besonderen Lage» gilt bis Sonntag, 15. März. Und dann?

Wenn nötig mit Zwang

Sollte es zu einer «nationalen Bedrohungslage» – und damit zur dritten Stufe der Eskalation – kommen, kann der Bundesrat gestützt auf das Polizeinotverordnungsrecht der Bundesverfassung Massnahmen anordnen. Die kantonalen Behörden setzen diese durch, wenn nötig auch «zwangsweise». Zuwiderhandlungen können mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft werden.

Doch was für Massnahmen stehen überhaupt im Fokus? Das EpG unterscheidet zwischen personenbezogenen und gruppen- oder bevölkerungsweiten Aktionen. Erstere reichen von medizinischer Überwachung und Isolation bis zu einem Berufs- und Reiseverbot. Sie kommen vor allem in der Frühphase einer Pandemie zum Einsatz und dienen dazu, die Übertragung unter Kontrolle zu halten. Dazu darf das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Reihe von Personendaten in einem zentralen Informationssystem sammeln, die Zugriffsrechte regelt der Bundesrat.

Das EpG wurde 2010 nach vierzig Jahren total revidiert. Der Bundesrat schrieb damals, die Revision sei «dringend notwendig», weil «das Ausmass und die Geschwindigkeit der Weiterverbreitung von übertragbaren Krankheiten zugenommen» hätten. Zu den Gründen zählt er «zunehmende Mobilität, fortschreitende Urbanisierung, Migrationsbewegungen, klimatische Veränderungen». Im Zentrum der Revision, die seit 2016 in Kraft ist, steht das neue Eskalationsmodell, gestärkt wird ausserdem die Führungsrolle des Bundes.*

Schulen schliessen?

Solange es gelang, sämtliche Personen zu eruieren, die mit einer erkrankten Person in Kontakt kamen, haben personenbezogene Massnahmen funktioniert. Spätestens seit dem 28. Februar ist diese Phase vorbei. Am 4. März hat der Bundesrat mit der Devise der «sozialen Distanzierung» eine Reihe von Massnahmen ins Rollen gebracht, die die Pandemiewelle eindämmen und abschwächen sollen. Bereits verfügt war ein Veranstaltungsverbot für Anlässe mit über tausend Personen. Dutzende von Verhaltensregulierungen für öffentliche und halböffentliche Räume sind seither auf kantonaler Ebene erlassen worden. Immer mehr Unternehmen verordnen Homeoffice. Künftig könnten auch Besuche in Altersheimen verboten werden, schreibt das BAG auf Anfrage.

Der Pandemieplan betont, es sei wissenschaftlich umstritten, wie zweckmässig soziale Distanzierungsmassnahmen tatsächlich sind – und es drohten beträchtliche ökonomische Folgen. Soll die Schweiz also überhaupt in Betracht ziehen, wie Italien die Schulen zu schliessen? Folgt der Bundesrat dem Pandemieplan, lautet die Antwort klar: nein. «Im späteren Verlauf der Pandemie (…) wird die flächendeckende Schliessung von Schulen und Kinderkrippen keinen wesentlichen Einfluss mehr auf den Verlauf der Epidemie und damit auf die Anzahl der Erkrankungsfälle haben.»

* Korrigendum vom 18. März 2020: Im Artikel hiess es über das Krisenmanagement des Bundes, das revidierte Epidemiegesetz sei 2012 in Kraft getreten. In Wirklichkeit trat es nach der erfolgreichen Abstimmung im September 2013 am 1. Januar 2016 in Kraft.