Auf allen Kanälen: Das BAG ist nicht genug

Nr. 18 –

Der Bund kommuniziert, und die Botschaft kommt bei vielen Menschen höchstens verzögert an: Wie verschiedene Medien mit wenig Mitteln die Migrationsbevölkerung in der Krise auf dem Laufenden halten.

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Wissen Sie Bescheid? Darüber, wie man die Hände richtig wäscht, wann man zu Hause bleiben sollte – oder etwas fortgeschrittener: über den Unterschied zwischen Selbstquarantäne und Selbstisolation? Ja, sagen Sie womöglich, das BAG informiert doch und der Bundesrat auch, Basics mittlerweile. Was aber ist mit den Menschen in der Schweiz, die keine Landessprache und kein Englisch sprechen? Die die herkömmlichen Medienkanäle nicht oder wenig nutzen, die am Freitagnachmittag nicht gespannt auf die Pressekonferenz des Bundesrats warten? Die Wege der Bürokratie können lang sein: Eine Woche hat es gedauert, bis die Faktenblätter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) in elf Sprachen übersetzt worden waren. Eine Woche: Das ist dieser Tage eine lange Zeit.

Was also tun, wenn viele MigrantInnen über die herkömmlichen Medien schlecht erreicht werden? Informationen in Muttersprache und Videos seien niederschwelliger, sagt Bülent Kaya, zuständig für Migesmedia, eine Koordinationsplattform für Medien der Migrationsbevölkerung beim Schweizerischen Roten Kreuz. «Gerade bildungsferne Migranten und Migrantinnen gehen nicht direkt auf die Website des BAG, um sich dort einen Flyer runterzuladen», meint Kaya, und so erreiche man sie deshalb schlecht. Soziale Medien wie Facebook spielten eine wichtige Rolle – und, vor allem: die Medien der MigrantInnen selbst.

In den Communitys verwurzelt

Die Informationslücke, die während der einwöchigen behördlichen Übersetzungszeit entstand, wurde von MigrantInnen selbst gefüllt: über eigene Medieninitiativen, meist über Social Media verbreitet. Wichtigster Akteur in diesem Bereich ist Diaspora TV – 48 Stunden nach dem Erscheinen der offiziellen Videos des BAG hatte der Sender diese in elf Sprachen aufbereitet und sie über Facebook zugänglich gemacht. Mittlerweile produzieren die allesamt ehrenamtlich arbeitenden JournalistInnen Sendungen zum Coronavirus in neunzehn Sprachen, die Videos wurden insgesamt zwei Millionen Mal angeklickt.

Derweil konzentrieren sich andere Initiativen wie etwa der Eritreische Medienbund oder «Albinfo» auf spezifische Migrationsgemeinschaften. Diese Projekte sind in ihrer jeweiligen Community oft stark verwurzelt und geniessen viel Vertrauen. Sevdail Tahiri etwa, Direktor von «Albinfo», schätzt dessen Einfluss auf die albanische Gemeinschaft in der Schweiz als gross ein. Das Magazin erscheint seit drei Jahren als Online- und Printversion auf Albanisch, Deutsch und Französisch, zum Coronavirus ist eine Sonderausgabe erschienen. Zu Beginn der Krise hätten sie gemerkt, dass viele albanischsprechende Menschen in der Schweiz schlecht informiert seien und deswegen Handlungsbedarf bestehe. Neben der Vermittlung von Schutzmassnahmen informiert «Albinfo» auch über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus, gerade auf kleinere Geschäfte.

Wichtige Arbeit, wenig Geld

Die Arbeit von Diaspora TV und anderen von MigrantInnen geführten Medien sei extrem wichtig, sagt Bülent Kaya. Ohne deren schnelle Reaktion und deren Engagement wären viele MigrantInnen heute nicht so gut informiert, er sei sehr erfreut darüber, wie Verantwortung übernommen wurde.

Dass Diaspora TV, «Albinfo» und andere Medien der Migrationsbevölkerung in der Krise so schnell reagieren konnten, dürfte auch damit zu tun haben, dass sie schon vorher über eine funktionierende Infrastruktur verfügten. Allerdings sind sie auch stark von der Arbeit abhängig, die ihre JournalistInnen freiwillig und ohne Lohn in die Projekte stecken. Zwar hat Diaspora TV mittlerweile Projektgeld vom BAG und vom Staatssekretariat für Migration bekommen, das die Videoproduktion zum Coronavirus mitfinanziert. Auch können sie sich bei Migesmedia um Projektbeiträge bewerben.

Trotzdem: «Es ist ein Problem, dass diese Arbeit in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird», meint Kaya – er wünsche sich ausserdem auch, die Gesundheitsorganisationen würden die MigrantInnenmedien direkt in ihre Kampagnen integrieren und sie als Partner anerkennen. Sieht man doch gerade in der aktuellen Ausnahmesituation deutlich, wie wichtig sie sind – für die MigrantInnen und damit für die ganze Schweiz. Sie als integralen Teil der einheimischen Medienlandschaft anzusehen und zu finanzieren, sollte eigentlich selbstverständlich sein.